Verliebt in einen Unbekannten
ihrem Leben sei. Ich zog nicht mal ein Kotzgesicht.
Katy hüpfte aufgeregt zum Eingang von etwas, das aussah wie ein Verlies. Es befand sich in einer finsteren Hintergasse nahe der Coldharbour Lane. Die Musik, die uns entgegenwaberte, war nicht unbedingt ansprechend, und ich musste mir alle Mühe geben, Begeisterung zu heucheln. »Den Eintritt übernehme ich!«, rief Katy und drückte einem gigantischen Türsteher einen Kuss auf die Wange. »Alles klar, Garfield?«
Er zwinkerte ihr zu, während der Rest seiner Miene vollkommen reglos blieb. »Du und deine Freunde kommen umsonst rein, Prinzessin«, brummte er.
Pflichtbewusst lächelnd schoben wir uns an ihm vorbei. Vor uns öffnete sich ein Gewölbe, spärlich erhellt von gedämpften Wandleuchtern. Das Rauchverbot schien hier nicht zu gelten, und wäre da nicht der unbarmherzig wummernde Technosound gewesen, hätte man meinen können, in einer Spelunke in Harlem während der Siebziger gelandet zu sein. Fast alle sahen gute fünfzehn Jahre jünger aus als ich, und ausnahmslos alle sahen aus, als würden sie Drogen nehmen.
»Soll ich uns ein paar Pillen besorgen?«, fragte Katy an Sam gewandt. Sie sprach etwas leiser als sonst, als würde ich sie dann nicht hören. Sam nickte aufgeregt.
Ich fühlte mich älter denn je. Katy nahm mir meinen eleganten Blazer ab und warf ihn auf einen Haufen, dann verschwand sie in der Menge, um jemanden namens Pork zu suchen. »Seit wann nimmst du Pillen?«, fragte ich Sam.
»Immer schon.«
»Unsinn! Du hast seit Jahren nichts mehr mit Drogen zu tun, Sam!«
»Charley«, rief er über die Musik hinweg, »halt dich da raus.« Er schien sauer zu sein.
»Warum bist DU eigentlich so schlecht gelaunt?«, brüllte ich. Er schüttelte gereizt den Kopf.
»Bin ich doch gar nicht!«, brüllte er zurück, dann tauchte er ebenfalls in der Menge unter. Ich schaute auf meine Armbanduhr. Dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig. Wenn die Band endlich zu spielen anfing, könnten wir vielleicht in einer Stunde gehen. Ich trat an die Bar und bestellte mir ein Glas Wein.
»Nur Wodka oder Rum!«, schrie der Barmann.
Ich nahm einen Wodka, dann überlegte ich kurz und bestellte zwei weitere, einen für Katy und einen für Sam. Die Gläser balancierend setzte ich mich auf einen Lautsprecher und wartete darauf, dass sie zurückkamen. Die Menge um mich herum wogte und kreischte, die Musik hämmerte. Ich kam mir unglaublich dämlich vor, wie ich hier in meinem schmerzhaft teuren Kleid saÃ, das ich mir für einen Mann namens William gekauft hatte, der nicht den blassesten Schimmer hatte, dass es mich überhaupt gab. Doch morgen schon würden sich die Dinge ändern. Dann gäbe es in meinem Leben nichts Dämliches mehr und auch nichts Trauriges.
Nach einer Weile tauchten Sam und Katy mit einem strahlenden Grinsen auf ihren strahlend schönen Gesichtern aus der Menge auf. Es war offensichtlich, dass ihre Suche erfolgreich gewesen war. Ich schaute sie prüfend an. »Werdet ihr zwei jetzt die ganze Nacht lang ausflippen?«
Sam kicherte. »Vielleicht!« Er zog seine modische Strickjacke aus und warf sie auf meinen Blazer, dabei nickte er â leicht verlegen â zur Musik. Sam war ein ausgezeichneter Tänzer, was bei Frauen immer gut ankam, doch nun war ich gespannt zu sehen, wie er unter all den Technofreaks abschnitt.
Ich reichte den beiden gerade ihre Gläser mit Wodka, als ein schmächtiger Asiate mit einer dicken, schwarzen Brille auf die Bühne schlurfte und die Band ankündigte. Katy und Sam jubelten und kreischten, und ich musste mich schwer zusammenreiÃen, um nicht laut loszuprusten. Sam fühlte sich absolut wohl hier mit seinem halb offenen Hemd und dem peinlichen Männerschmuck, aber mir machte er nichts vor. Als die Band loslegte und er wild in die Luft boxte, zog ich mein Handy aus der Tasche, um ein Video für Hailey aufzunehmen. Es war, als würde unser Sohn zum ersten Mal die Schuldisco besuchen.
Die Band klang wie viel zu viele Bands heutzutage: schneller, ins Ohr gehender Elektro-Rock mit verfremdetem Gesang und bemüht trockenem Humor. Ich strengte mich echt an, doch ich sehnte mich nach einem Stück von Belinda Carlisle und einem Glas Merlot. Doch weil ich beides nicht hatte (und nicht bekommen würde), machte ich es mir auf dem Lautsprecher bequem â
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