Verliebt in einen Unbekannten

festzustellen, dass die Antwort auf all meine Probleme – William – sich als genauso großes Desaster entpuppte wie alles andere in meinem Leben. Und morgen würde ich dieses Chaos hinter mir lassen und – was? In die giftige Atmosphäre bei Salutech zurückkehren? Aber sicher doch! Was für ein großartiges Leben!
    Ich zerfloss vor Selbstmitleid.
    Doch dann, an der Victoria Station, setzte ich mich plötzlich auf. Eine Gruppe Geschäftsmänner in Anzug und Krawatte amüsierte sich lautstark am anderen Ende des Waggons, lauter clevere Jungs, aber betrunken. Als ich sie beobachtete, fiel mir etwas ein, das mir während der letzten Woche entfallen zu sein schien.
    Meine Arbeit hatte mich immer glücklich gemacht.
    Richtig glücklich. Selbst in schwierigen Zeiten. Auch ich hatte in meinem Hosenanzug herumgealbert, genau wie die Kerle dort drüben.
    Was um alles auf der Welt war schiefgelaufen? Bis vor drei Tagen hatte ich meinen Job geliebt. Salutech war mein Hafen gewesen, keine Gifthalde. Hatte sich mein Job verändert? Nein! Noch nie war die Arbeit so aufregend gewesen wie jetzt! Margot? Pah, kleiner Fisch! Nein, ich war das Problem. Irgendwann während der letzten Wochen hatte ich aufgehört, Charley, die Powerfrau, die schottische Amazone zu sein, und mich in Jammerlappen-Charley verwandelt, den sich in Selbstmitleid suhlenden Labrador.
    Tatsache war, dass ich mich seit meiner Rückkehr zu Salutech hatte treiben lassen. Ich war mir so sicher gewesen, dass Margot versuchen würde, mir das Leben zur Hölle zu machen, dass ich genau das tatsächlich zugelassen hatte. Ich war nur darauf fixiert gewesen, mir selbst einzureden, wie unfair das alles war. Außerdem hatte ich viel zu viel Zeit mit First Date Aid und meinen verrückten Fantasien, William betreffend, verschwendet.
    Das Resultat war, dass ich meinem kostbaren Job nicht mehr als dreißig Prozent gewidmet hatte. Warum? Die jahrelange Erfahrung hatte gezeigt, dass ich mir gar nicht erst die Mühe machen musste, bei Salutech aufzukreuzen, wenn ich nicht mindestens hundert Prozent gab! Und, was noch wichtiger war, die jahrelange Erfahrung hatte auch gezeigt, dass es mich glücklich machte, hundert Prozent zu geben. Es war nahezu skandalös, zehn Tage vor der größten Produkteinführung aller Zeiten nur eine vage Vorstellung von dem zu haben, was um mich herum passierte.
    Mein Kopf war auf Leerlauf geschaltet. Wenn ich bereit wäre, mich bei der Arbeit am Riemen zu reißen, könnte ich mich ziemlich schnell am eigenen Schopf aus diesem Schlamassel herausziehen. Die Entscheidung lag auf der Hand. Ich musste zu meinen alten Gewohnheiten zurückkehren: jede Menge harte Arbeit, gesundes Essen, Sport und Beschäftigung – ansonsten würde ich weiterhin traurig und zornig auf mich selbst dahintreiben.
    Schluss mit all diesen Hirngespinsten, Charley Lambert , dachte ich und ließ meinen inneren Motivationscoach von der Leine. Von jetzt an wird keine Zeit verschwendet! Morgen kehrst du nach Edinburgh zurück und bringst dein Leben wieder auf Kurs! ALLES KLAR ?!
    Seit langer Zeit erblickte ich einen ersten Hoffnungsstrahl. Hier hatte ich eine Lösung, die funktionierte. Das wusste ich, war ich mit diesem Konzept doch jahrelang überaus erfolgreich gewesen.
    First Date Aid hatte mir geholfen, während meiner Rekonvaleszenzphase nicht verrückt zu werden, doch die Erste Hilfe fürs erste Date hatte mich gleichzeitig von Salutech abgelenkt und mich zu derart peinlichem Verhalten verleitet, dass ich gar nicht daran denken mochte. First Date Aid musste weg. Ich verabscheute den Gedanken, mein nettes kleines Unternehmen aufzugeben, doch die Vorstellung, noch länger diese unzurechnungsfähige Jammergestalt abzugeben, war noch schlimmer. Salutech kam an erster Stelle. Die Firma hatte hundert Prozent meiner Aufmerksamkeit und Kraft verdient. Sie bezahlte mich dafür, hundert Prozent zu geben. Vielleicht wäre ich sogar in der Lage, meine beschämende Indiskretion von heute Abend zu vergessen, wenn ich First Date Aid aufgab, um mich voll und ganz auf die aufregendste Produktlancierung in der jüngeren Medizingeschichte zu konzentrieren.
    Abgemacht. Abgesegnet. Unterschrieben.
    Charley Lambert hatte einen Plan.
    Ein klein wenig optimistischer setzte ich mich auf, um Katys und Sams Gespräch zu lauschen, die darüber sprachen, wie wichtig Kreativität in