Verliebt in einen Vampir: Argeneau Vampir 2
der Strohhalme nicht mehr so schwer.
Sie wäre lieber nach Hause gegangen. Ihre Wohnung war ein Zufluchtsort, an den sie sich immer zurückgezogen hatte, wenn sie nachdenken musste. Sie würde dann auch endlich ihre Familie anrufen, damit sie sich keine Sorgen um sie machte - aber all das würde sie erst tun, wenn sie die Dinge hier geklärt hatte.
Rachel hatte ihre Kleider zusammengesucht, und es gelang ihr, ins Bad zu gehen, ohne Etienne zu wecken. Sie atmete auf und zog sich rasch an. Nachdem sie sich das Haar gebürstet und sich Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, wandte sie sich ihrem Spiegelbild zu. „Pudge hat mich entführt”, sagte sie versuchsweise. Sofort verzog sich ihr Mund zu einem idiotischen Grinsen. Ein nervöses Kichern drang aus ihrer Kehle.
Rachel ließ den Kopf hängen. Sie war immer eine katastrophale Lügnerin gewesen. Manchmal war das unbequem, aber in den meisten Fällen machte es das Leben einfacher. Wenn man nicht log, wurde man auch nicht erwischt. Ehrlichkeit war die beste Politik. Diese Sätze hatte man ihr als Kind ununterbrochen eingebläut, und Rachel hatte sie immer geglaubt. Aber jetzt, da sie dem Fall Pudge gegenüberstand, war sie davon überzeugt, dass mit einer Lüge allen viel besser gedient wäre. Auch Pudge.
Sie wandte sich wieder vom Spiegel ab, ging zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Ihr Blick fiel sofort auf das Bett. Etienne schien sich nicht bewegt zu haben. Lächelnd, weil er so hinreißend aussah mit seinem zerzausten Haar, der nackten Brust und dem zerknüllten Laken um die Hüfte, schaltete sie das Licht aus und ging auf Zehenspitzen durch das Zimmer zur Tür hinaus.
Sie kam sich vor wie eine Diebin, als sie durch das Treppenhaus schlich, aber sie ging auch die Treppe noch auf Zehenspitzen hinunter. Sie hatte gerade die Küchentür erreicht, als sie leise protestierende Laute von quietschendem Holz hörte. Also blieb sie stehen und sah sich um. Es dauerte einen Moment, bis sie die Bewegung am Fenster bemerkte, dann erstarrte sie wie ein Tier im nächtlichen Scheinwerferlicht. Das Fenster war hochgeschoben worden, und nun kletterte jemand herein. Dieser jemand hatte schon ein Bein in der Küche und zog gerade den Rest des Körpers nach.
Hitze kroch ihr über den Rücken und brachte ihren Nacken zum Prickeln, Adrenalin durchflutete sie, und sie folgte augenblicklich ihrem Instinkt - sie duckte sich in das erstbeste Versteck, das sie sah, den Flurschrank. Sie hatte die Tür bereits hinter sich zugezogen, bevor sie überhaupt begriffen hatte, was sie tat. Erst als sie sich relativ sicher fühlte, schien ihr Hirn in Gang zu kommen, und sie erkannte, dass sie, Rachel Garrett, eine Vampirin der Extraklasse, sich vor einem gemeinen Dieb versteckte.
Sie spürte, wie die Angst wieder aus ihr herauslief wie eine Flüssigkeit. Was um alles in der Welt machte sie hier? Sie war eine Vampirin. Sie konnte mit diesem Kretin doch leicht fertigwerden. Ha, sie würde ihm einen Schreck versetzen, den er nie wieder vergessen würde. Und sie würde ihm eine saftige Lektion erteilen, dachte sie amüsiert. Sie begann die Schranktür langsam wieder zu öffnen und hatte es gerade einen kleinen Spaltbreit geschafft, als der Einbrecher sich aufrichtete und sie sein Gesicht sah.
Wieder hielt Rachel inne, denn sie kannte diesen Mann. Er war der Mann aus dem Sektionssaal, der Verrückte im Tarnanzug, der versucht hatte, Etienne den Kopf abzuschlagen. Pudge. Das genügte, um die Tür schnell wieder zuzuziehen. Das hier war kein gewöhnlicher Einbrecher, das hier war ein Mann, der Etienne und seine Familie kannte und wusste, wie man Vampire tötete. Und ganz sicher war das auch der Grund, weshalb er gekommen war. Sofort wurde sie von Panik erfasst und überlegte fieberhaft, wie sie nun vorgehen sollte. Sie musste nach oben gehen und Etienne warnen, und zwar bevor Pudge ihn erreicht hatte.
Doch dafür war es schon zu spät. Sie sah, dass Pudge an ihrer Tür vorbeiging. Also würde sie ihm folgen und ihn überraschen müssen.
Rachel hörte das Knarren von Treppenstufen und wusste, dass sie nun unbesorgt aus ihrem Versteck herauskommen konnte. Die Treppe führte auf die andere Seite, sodass sie den Schrank verlassen konnte, ohne von Pudge gesehen zu werden. Als sie den Flur betrat, kam er ihr irgendwie dunkler vor als noch einen Augenblick zuvor. Die Sonne schien allerdings immer noch, und das helle Licht, das durch die Fenster hereinfiel, machte die Staubkörnchen sichtbar, die in der
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