Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

den E -Mail-Ausdruck aus der Hand und hielt ihn mir ins Gesicht. »Du verstehst nicht. Wir müssen das tun.«



Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fand ich einen Zettel von Dad vor.
    Musste früh raus. Ruf mich an, wenn Du wach bist.
    Er hatte eine Telefonnummer hinterlassen, vermutlich die des Kristallpalasts. Ich tippte sie ins Telefon auf dem Nachttisch.
    »Dígame«, sagte der Teilnehmer am anderen Ende.
    »Äh, puedo hablar con Andrew Nelson, por favor?«, fragte ich und kam mir wie der letzte Depp vor.
    »Quien?«
    »El americano«, erläuterte ich. »Muy grande americano.«
    Der Versuch, meinen Vater zu beschreiben, hörte sich an, als würde ich einen Kaffee bestellen. Aber es klappte.
    »Sí, sí«, entgegnete die Stimme im Hörer.
    »Hallo«, sagte Dad nach einer Weile.
    »Ich bin’s.«
    »Alles in Ordnung?«, fragte er. »Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
    »Jaja. Hab dich heut früh nicht mal gehen hören.«
    »Gut. Soll ich dich im Hotel abholen? Oder du kommst zu Fuß hierher? Du weißt doch noch den Weg, oder? Ganz wie du willst.«
    Ich wollte nach meinen Mails sehen, aber das konnte ich ihm nicht sagen.
    »Ich komme hin«, sagte ich.
    »Schön, dann hol dir erst noch Frühstück im Hotel. Lass es auf die Zimmerrechnung setzen. Und dann bitte den Empfangschef, dir den Weg hierher aufzuzeichnen, nur für den Notfall. Denk an ein Trinkgeld. Ich hab dir ein paar Euros auf den Tisch gelegt.«
    Ich sah die Geldscheine auf dem Tisch. Dann fiel mein Blick auf meine schmutzigen Sachen, die auf dem Fußboden lagen.
    »Werden nach dieser Woche ganz schön ranzig sein, meine Klamotten«, sagte ich.
    »Keine Sorge. Hier stecken eh alle in Arbeitskluft. Aber die Kleiderfrage werden wir nachher noch regeln. Wir sehn uns dann vor Ort.«
    Es freute mich, dass Dad mir zutraute, allein zum Museum zu finden. Andererseits verläuft nur ein schmaler Grat zwischen jemandem etwas zuzutrauen und ihn zu ignorieren. Häufig fragte ich mich, ob Dad unsere Urlaubsreisen rund um seine beruflichen Termine plante, damit er es vermeiden konnte, längere Zeit mit mir zu verbringen. Dann bekam ich Schuldgefühle, weil ich Dad solche fragwürdigen Beweggründe unterstellte. Er tat wirklich sein Bestes. Dad war schon alleinerziehend gewesen, lange bevor es zum Trend geworden war. Und er hatte sich nie beklagt, mich ganz ohne die Hilfe meiner Mutter aufziehen zu müssen. Er bekam es aber hin, sie fast jeden Samstag zu sehen – ohne mich.
    Ich zog mich an und steckte das Geld in meine Hosentasche. Als ich unten in die Eingangshalle trat, sah ich den Empfangschef. Er begrüßte mich mit einem herzlichen »Buenos dias«.
    »Hey, auch Ihnen buenos dias. Tja dann, donde está la …«
    Da ich vergessen hatte, wie Restaurant auf Spanisch ausgesprochen wurde, machte ich die überall verständliche Geste von jemandem, der mit einer unsichtbaren Gabel isst.
    »Ah! El restaurante«, sagte der Empfangschef und zeigte einen Flur hinunter. »Está por allí.«
    »Gracias.« Ich hatte durchaus den Vorsatz, Dads Anweisungen zu befolgen. Vorher aber musste ich unbedingt das Businesscenter ansteuern und meine Mails checken. Lächelnd stellte ich fest, dass Coco mir geschrieben hatte.
    Von: CocoChi@com
    An: Webbn@com
    Betreff: Zu Deiner Tasche
    Bonjour, Monsieur Spidey,
    interessante Neuigkeiten hier. Meine Mom und ich reisen morgen nach (halt Dich fest) Madrid. Ist eine lange Geschichte, aber sie wird für eine Freundin kochen. (Meine Mom ist Chefköchin. Hab ich das schon erwähnt?) Jedenfalls werden wir morgen früh nach Madrid fliegen und am Mittwoch nach Paris zurückfahren. Wir werden also nur für eine Nacht dort sein. Aber eine Nacht ist eine Nacht, oder? Hab mich gefragt, was Du gern tun würdest:
    a) mich treffen
    b) Taschen austauschen
    c) gemütlich im Café sitzen und/oder Tapas (lecker) essen gehen
    d) dir einen Stierkampf ansehen (sag bitte Nein!)
    e) einen Stier vor dem Stierkampf retten (Sí! Sí! Sí!)
    f) alle Punkte von a) bis f)
    g) nichts davon
    Überleg’s Dir und sag mir Bescheid, okay?
    Hoffnungslos ergeben,
    Coco
    P . S. Ich trage dein T -Shirt mit der Aufschrift SOMEONE STILL LOVES YOU BORIS YELTSIN . (Was ist das, eine Band oder ein Witz?) Keine Sorge. Ich geh nachher noch shoppen. Bald wird mein Leben in geborgten Kleidern ferne Erinnerung sein.

Ein bisschen schlechtes Gewissen hatte ich, weil ich Solange die Zeile »Hoffnungslos ergeben« geklaut hatte. Aber mir gefiel, wie witzig es klang, zum Lachen und zugleich