Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
die mich erwartete.
Von: Webbn@com
An: CocoChi@com
Betreff: Re: Zu Deiner Tasche
Meine Antwort:
h) mich wahnsinnig verlieben.
Du bist am Zug, Blusengirl.
Ich hatte schon genug um die Ohren. Sorgen wegen Webb fehlten mir gerade noch.
Doch nach zweieinhalb Stunden Warten gab ich auf und ging zu Fuß zum Hotel zurück. Dort fand ich meinen Sohn allein im Businesscenter vor, wo er wie gebannt auf einen Computerbildschirm starrte. Neben ihm auf einer fettfleckigen Serviette lag ein halb gegessenes Sandwich.
Ich schwankte zwischen Ärger und Erleichterung. Herrgott noch mal, wir befanden uns in Madrid! Er hätte im Prado sein und sich mit Kunst vollsaugen sollen. Er hätte auf der Plaza Mayor sitzen und ein Bierchen zischen sollen. Oder er hätte mit mir im Kristallpalast sein sollen, wie ich es ihm am Telefon gesagt hatte, verdammt noch mal!
Und wenn er mir schon nicht gehorchte, wäre es mir lieber gewesen, er würde seine Zeit anders verbringen als mit geistlosen Computerspielen oder was zum Kuckuck er da gerade tat. Warum bewunderte er keine schönen jungen Frauen und verliebte sich wie ich in seinem Alter?
Ehe ein Idiot allererster Klasse aus mir wurde.
Ich musste aufhören, an diesen dämlichen Zettel zu denken.
Also versuchte ich, mich auf Webb zu konzentrieren. Seit er Teenager war, gab sich mein Sohn alle Mühe, keine Zeit mit mir zu verbringen. Das ging in Ordnung. Den Teil konnte ich verstehen. Aber wenn er nicht bei mir sein wollte, warum konnte er dann seine Zeit nicht mit jemandem oder etwas Anregenderem als einem Rechner verbringen? Warum musste der Rivale um die Aufmerksamkeit meines Sohnes so platt und banal sein? Ich war im Begriff, ihn genau das zu fragen, als ich die Tür zum Businesscenter öffnete.
»Hey, Dad«, sagte Webb. »Wie läuft’s?«
Die Ausdünstung schweißiger Socken vermischt mit Chorizowurst traf mich wie ein Knüppel.
»Herrje, Webb«, sagte ich und hielt mir mit beiden Händen Mund und Nase zu. »Du brauchst unbedingt saubere Sachen. Und zwar sofort .«
Es war fünfhundert Dollar wert gewesen, Coco gegenüber zu behaupten, die Fluggesellschaft kaufe ihr solch entzückende Sachen. Irgendwie machte ihr das Shoppen dadurch mehr Spaß.
Doch ich gestehe, dass ein Teil von mir – der Teil von mir, den ich nicht sonderlich mag – dachte: Mach die Augen auf, Coco! Ich bin es, die das alles bezahlt. Es gibt keinen Weihnachtsmann und keinen Scheck über fünfhundert Dollar von der Fluglinie!
Aber das konnte ich natürlich nicht sagen, so wenig wie ich es bleiben lassen konnte, ihr eine hübsche schwarze Hose zu kaufen, als sie gerade nicht hinsah. Solange würde Coco zur Ausstellungseröffnung nicht in Jeans haben wollen. Und es war eine wunderschöne Hose. Coco würde sie jahrelang tragen können. Irgendwann einmal würde sie mir den Kauf danken.
Oder etwa nicht? Würde ich jemals Anerkennung finden für die Millionen von Kleinigkeiten, die ich für sie getan hatte, ohne dass sie es wahrnahm? Oder war die Elternschaft ein so undankbares Los, wie es schien?
Natürlich war sie das.
Und wenn schon. Wir waren in Paris und hatten eine schöne Zeit – endlich . Ich war erleichtert, dass sie flexibel genug war (sonst nicht gerade ihre Stärke), unseren Abstecher nach Madrid zu billigen. Solange konnte ich wirklich nicht im Stich lassen. All die Jahre hatte sie mich immer wieder großzügig bei sich zu Hause übernachten lassen. Und so schwer konnte es doch nicht sein, auf die Schnelle genug Vorspeisen für ein paar Hundert Kunstmäzene herzuzaubern.
Schwer tat ich mich nur mit der Frage, was die Leute wohl gern hätten. Ach ja, das . Nicht eben meine Stärke.
Bei einem späten Mittagessen fragte ich Coco nach ihrer Meinung dazu. Wir aßen moules frites in einem Café unweit von Solanges Wohnung. Seit jeher habe ich eine Schwäche für das Pariser Gedeck aus gedämpften, im schweren Emailletopf gereichten Miesmuscheln mit salzigen Pommes frites als Beilage und einem Bier dazu.
»Was die Leute wollen?«, wiederholte Coco, während sie eine Miesmuschel aus ihrer schwarzen Schale hebelte. »Nun ja, um vom Wollen zu reden, muss man sich eigentlich erst Gedanken übers Brauchen machen. Und diese Gedanken beginnen bei Abraham Maslow und seiner Hierarchie der Bedürfnisse.«
»Hmmm«, machte ich. »Was war das noch gleich?«
Eigentlich hatte ich gemeint, was die Leute bei der Vernissage wohl gerne essen wollten, nahm aber gern den Umweg über gepflegte Unterhaltung. Zu Hause
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