Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Selbstwertgefühl.«
Zum Teufel mit dem Selbstwertgefühl! Natürlich wäre es leichter für mich, sie vom Haken zu lassen. Aber war sie mir nicht die paar Stunden leichte Arbeit schuldig dafür, dass ich sie nach Paris mitgenommen hatte? Und was war mit Solange? Nach all den mit Bedacht ausgewählten Geschenken, die sie Coco über die Jahre geschickt hatte – Kaschmirpullis, Kunstdrucke, die Harry-Potter-Bücher. Erstausgaben! War der Lohn dafür dieses egoistische Herumgrübeln und diese unreife Eitelkeit?
»Coco, es tut mir leid. Aber ich brauche wirklich deine Hilfe. Und Solange ebenso.«
Empört starrte sie ihren Teller an. Ihre Augen waren tränenfeucht. »Du versuchst gerade, mein Leben zu verpfuschen, oder? Du willst, dass alle allein und unglücklich sind. Genau wie du.«
Sei nett zu mir, hätte ich am liebsten gesagt. Ich bin alles, was du hast.
Sicher, sie hatte Großeltern – meine Eltern –, die sie maßlos verwöhnten. Aber die würden nicht ewig da sein. Und ich war ein Einzelkind, es gab also keine Onkel und Tanten. Oder Vettern und Kusinen.
Vielleicht hätte ich zusätzlich noch ein Kind adoptieren sollen, damit Coco jemanden hätte zum Anlehnen oder In-die-Arme-fallen, wenn das Leben grausam wurde. Hatte ich aber nicht. Sie saß also mit mir fest. Mit mir! Kapierte sie das nicht? Ich war alles, was sie hatte. Ich und meine wunderbaren Freunde wie Solange. Aber vor allem ich. Und dann behandelst du mich so?, dachte ich.
»Wieso spielt es irgendeine Rolle, dass ich Single bin?« Ich bemühte mich, sachlich zu bleiben.
»Alles hängt miteinander zusammen, Mom«, sagte sie und knallte ihre Gabel auf den Tisch. »Das Universum ist eins. Du weißt, dass ich daran arbeite, Buddhistin zu werden!«
O Gott! Ich stürzte Cocos Bier in einem Zug hinunter.
Ich merkte, dass Dad gründlich die Nase voll von mir hatte.
»Heute ist unser zweiter Tag in Madrid«, sagte er. »Und heute verlässt du zum ersten Mal das Hotel?«
Wir waren im El Corte Inglés, dem Madrider Gegenstück zu Macy’s. Dad sah mir zu, wie ich mich durch einen Stapel Jeans auf einem Tisch in der Herrenabteilung wühlte. Ich suchte nach einer Hose ohne Zierstickerei auf den Gesäßtaschen. Hatten diese spanischen Jungs alle ’ne Macke mit ihren Glitzerjeans?
»Schau, Webb«, sagte er. »Mag sein, dass du diese Reise gar nicht mitmachen wolltest. Mag sein, dass du lieber zu Hause bei deinen Freunden geblieben wärst. Aber jetzt bist du hier, und ich möchte, dass du das Beste draus machst.«
»Klar«, sagte ich und fand mich damit ab, hier keine schlichte Levi’s finden zu können. Sollte ich Coco lieber in derselben Jeans begegnen, die ich seit unserer Abreise von St. Louis getragen hatte oder in einer von diesen blöden strassbesetzten Cowboyhosen?
»Ich kann nicht die Arbeit gut machen, für die ich hergeholt wurde, und mich die ganze Zeit um dich sorgen«, fuhr Dad fort. »Ich bitte doch nur um etwas Rücksicht.«
»Tut mir leid.«
Vielleicht konnte ich ja die Jeans, die ich trug, im Hotelwaschbecken einweichen und mit dem Fön trocknen. Wäre immer noch besser als diese Glitzerjeans. Ich wandte mich den Hemden zu. Wenigstens die sahen normal aus. Ich griff mir zwei unbedruckte blaue T -Shirts heraus, die meine Größe haben durften.
»Wenn du heute Morgen nicht zum Ausstellungsort kommen wolltest«, sagte Dad gerade, »hättest du anrufen und es mir mitteilen können.«
»Tut mir leid«, wiederholte ich.
Das Ganze wäre viel einfacher gewesen, wenn ich ihm einfach den Grund nennen könnte, weshalb ich im Hotel geblieben war: dass ich ein Mädchen treffen wollte, das mir richtig gefiel. Aber diesen Grund konnte ich ihm nicht nennen. Er würde ein viel zu großes Ding draus machen.
»Ich weiß, dass es dir leidtut. Aber …« Dad betrachtete die Kleidungsstücke in meinen Händen. »Du wirst für die Vernissage was Besseres brauchen.«
Die Vernissage. Verdammt. Ganz vergessen. Wie sollte ich da bloß wieder rauskommen?
»Sieh mal, Webb«, fuhr er fort. »Morgen Abend wird es drunter und drüber gehen. Es werden viele Leute zur Eröffnung kommen: Künstler, Mäzene, Museumsdirektoren und so weiter. Ich muss mit ihnen reden und bei Fragen und Schwierigkeiten zur Verfügung stehen. Ich kann mir nicht auch noch Sorgen machen, wo du bist und was du tust.«
»Schon klar.« Da kam mir ein Einfall. »Soll ich dir einfach alle zwei Stunden simsen? Damit du weißt, dass es mir gut geht?«
Sein Gesicht sah wie ein großes
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