Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Musik zu überhören.
Solange entdeckte mich vom anderen Ende des Raums aus. Sie kam herüber, und ein schmales Lächeln schlich sich über ihr Gesicht. »Ich hab gerade die Kunstkritikerin der El País gesprochen«, flüsterte sie mir ins Ohr.
»Ach ja? Wie lautet ihr Urteil?«
Sie griff sich das Gebäck aus meiner Hand und biss davon ab. »Eindrücklich, erregend und kraftvoll«, sagte sie noch im Kauen, aber jedes Wort auskostend.
»Nichts über die Spülung auf den Damentoiletten?«
Sie schmunzelte. »Andrew, du weißt doch, dass es dein Job ist, alle Aufmerksamkeit auf die Kunst zu lenken. Und keiner macht das besser als du.«
»Danke.«
»Und es tut mir leid, dass ich die letzten Tage so diktatorisch war«, fuhr sie fort und verspeiste mein Abendessen. »Für diese Museumsdirektion hab ich noch nie gearbeitet. Die meisten meiner Kunden sitzen in Frankreich und Belgien. Das hier war also ganz was Neues und …«
»Spar dir die Worte. Ich verstehe. Bei einem neuen Kunden gibt es immer null Spielraum für Fehler.«
»Genau«, sagte sie. »Und eine Zeit lang sah es so aus, als würde das Ganze in sich zusammenkrachen. Und als dann der Caterer am Sonntag abgesagt hat, war ich schon am Rand eines Nervenzusammenbruchs.«
»Stimmt.« Ich dachte an eines der wenigen Probleme zurück, dessen Lösung nicht mir oblegen hatte. »Du hast den Caterer aber nicht gebeten, die Beerdigung seines Vaters zu versäumen, oder?«
Sie lächelte und wischte sich einen Flaum aus Puderzucker von den Lippen. »Nein. Zum Glück habe ich eine wunderbare Freundin, die zufällig Chefköchin ist. Ich hatte Glück, dass sie gerade Urlaub in Paris machte.«
»Das ist kein Glück«, sagte ich. »Das ist Kismet.«
»Was ist Kismet ? «, fragte Solange und verzog das Gesicht.
Und da ging eine seltsam vertraut aussehende Frau mit einem Tablett in den Händen an uns vorbei. »Solange«, sagte sie, »du weißt, was Kismet ist.«
»Wirklich?«, meinte Solange zweifelnd. »Hilf mir mal auf die Sprünge.«
»Es bedeutet Schicksal oder Bestimmung«, sagte die Frau.
»Natürlich«, entgegnete Solange. »Mein Gehirn ist gerade ein bisschen matschig. Daisy, hast du schon Andrew Nelson kennengelernt, den Ausstellungsgestalter? Andrew, das ist Daisy Sprinkle. Von ihr ist der … wie nennst du den?«
»Klebbutterkuchen«, sagte die Frau mit einem Lächeln.
Selbst ihre Stimme war schön. Ihr Haar war hochgekämmt. Sie trug eine schwarze Seidenbluse und dieselbe schwarze Hose mit den weit geschnittenen Beinen wie im Flugzeug.
Konnte es sein, dass sie mich nicht erkannte? Hatte sie mich wirklich nicht gesehen, als ich beim Einsteigen gegen ihren Arm gestoßen war?
Ich lächelte zurück. »Tut mir leid, wenn ich euch unterbreche«, sagte sie und wandte sich an Solange: »Kann ich mir noch mal dein Handy borgen? Ich möchte bei Coco nach dem Rechten sehen.«
»Non, non, et non!«, rief Solange. »Du wirst Coco jetzt nicht anrufen. Es ist spät. Lass das arme Kind doch schlafen.« Sie wandte sich an den gut aussehenden Ausstellungsgestalter und fuhr fort: »Da ich die Patentante von Daisys Tochter bin, steht mir eine Meinung zu.«
»Verstehe«, antwortete der Mann mit einem Lächeln.
Er war groß gewachsen. Dunkles Haar mit grauen Einsprengseln. Hübsche Frisur. Freundliche Augen. Schlank, aber nicht schmächtig. Er trug einen leichten grauen Flanellanzug zu weißem Hemd. Mitte fünfzig vielleicht? Es wunderte mich, dass Solange mir nichts von ihm erzählt hatte.
»Wusst ich’s doch, dass mir der Geschmack bekannt vorkam«, sagte er. »Ich bin in St. Louis aufgewachsen und mit Klebbutterkuchen groß geworden. War mir ganz entfallen, wie köstlich er ist.«
Und nett war er auch. Das freute mich für Solange.
»Daisy hat auch roten Samtkuchen gebacken«, sagte Solange. »Sie nennt das nostalgische prädigitale Küche – oder so ähnlich.«
»Nicht zu vergessen die guten alten Puffreisschnitten«, meinte er.
»O Gott. Die habe ich vergessen«, meinte ich lachend. »Und sie hätten großartig gepasst. Oder auch nicht. Französische Marshmallows sind eine Spur zu gut. Für Puffreisschnitten braucht man diese billigen, gummiartigen Marshmallows, wie wir sie zu Hause haben.« Ich hielt inne. »Verzeihung, wie war noch mal dein Name?«
»Andrew«, sagte er.
Guter Name. Solide. Klassisch. Und er gefiel mir viel besser als Andy.
Jetzt lachte er. Schöne Zähne. Der Mann war entzückend. Warum hatte mir Solange nichts von ihm erzählt? Ich nahm
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