Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Gedanken mit einem Dustinkstdudepp, Dustinkstdudepp, Dustinkstdudepp auf.
Um 22:40 schließlich fuhr der Zug in den Gare de Lyon ein.
Ich war steif von der langen Fahrt, und mein linkes Bein war eingeschlafen. Toll, dachte ich. Jetzt wird sie glauben, ich hätte Kinderlähmung. Ich trat kräftig mit dem Fuß auf, um den Kreislauf anzuregen. Dann stieg ich, mit Cocos Tasche in der rechten Hand, aus dem Zug.
Die anderen Fahrgäste schienen in großer Eile zu sein. Ich ließ mich ans Ende des Rudels zurückfallen, während ich den Bahnsteig hinunterging. Irgendwie wollte ich den Augenblick unserer Begegnung hinauszögern – die Vorfreude möglichst in die Länge ziehen.
Ich erkannte sie auf den ersten Blick. Sie stand unter einer Uhr. Ihr braunes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trug mein weißes Hemd und hielt meine Ausgabe von Walden in der Hand.
Sie lächelte mich an.
Ich hätte sie am liebsten auf der Stelle geküsst.
So hätte ich ihn mir nie vorgestellt. Er sah so europäisch aus!
Er trug ein weißes Hemd – womöglich neu – zu einer optimal zerschlissenen Levi’s und Chucks. Sogar einen Schal hatte er um den Hals, wie es bei den Franzosen üblich war. Erst als er näher kam und den Schal aufzog, erkannte ich, dass es meine Bauernbluse war.
»Blusengirl?«, fragte Webb und reichte mir meine Bluse.
»Ja, ich bin’s«, sagte ich. »Hi!« Ich streckte meine Hand aus, aber er beugte sich vor.
»Gehört sich das nicht so?«, fragte er und küsste mich auf auf beide Wangen.
Ich lachte. »Du hast völlig recht.«
»Ist doch eine klasse Sitte«, sagte er.
»Und wie«, sagte ich. »Aber echt klasse , oder?«
Er lächelte mir zu. »Eben, klasse.«
»Voll klasse«, fügte ich hinzu. Warum wiederholte ich alles, was er sagte, war ich bescheuert, oder was? »Bist du erschöpft? Kann kaum glauben, dass du den ganzen Tag Zug gefahren bist.«
»War erträglich. Eigentlich war’s ganz nett.«
»Echt jetzt?« Warum fiel mir nichts, aber auch gar nichts Lustiges ein, was ich hätte erzählen können? »Hey, wusstest du, dass die Guillotine gar nicht von Dr. Guillotin erfunden wurde?«
»Im Ernst? Wer hat sie denn dann erfunden?«
»Äh, da bin ich mir nicht sicher. Dr. Guillotin hat bloß irgendwie, weißt schon, die ursprüngliche Konstruktion verbessert.«
Wir standen da und starrten uns an. Wenigstens tat ich das. Er wirkte wie Mr Superlässig-Locker, während ich offenbar eine Zwei plus im Fach Guillotinengeschichte anstrebte.
»Was für ein cooler Bahnhof«, sagte er schließlich und sah sich dabei um. »Warum haben wir keine solchen Bahnhöfe zu Hause?«
»Und wie«, sagte ich. »Er ist … klasse, echt jetzt.«
Mom hatte recht mit dem Echt-jetzt. Es klang blöd. Ich klang blöd.
»Wolltest du einfach hier eine Weile abhängen oder …«, setzte er an.
»Oh, nein«, warf ich ein. »Wir können ech…, ich meine, wir sollten zurück zur Wohnung gehen. Bist du hungrig oder müde? Willst du dir was zu essen holen oder einfach in der Stadt rumlaufen?«
»Ja, ja, ja und ja. Und sollte ich was ausgelassen haben, dann auch dazu ja.«
Ich lachte. »Na, mit dir hat man’s echt leicht.«
O Gott. Hatte ich das wirklich gerade gesagt? Aber er lachte. Gott sei Dank.
»Weiß nicht recht, ob leicht «, sagte er lächelnd. »Aber ich bin am Verhungern. Und ich würde mir wahnsinnig gern Paris ansehen. Na, komm. Wir haben acht Stunden, bis mein Zug geht.«
Ich hätte es wissen müssen. Denn es ist immer dasselbe: Am Tag vor einer Ausstellungseröffnung läuft nichts, aber auch gar nichts so, wie es sollte. Ist es aber erst so weit, sind einem die Götter der Kunst immer gewogen, und die Vernissage wird ein uneingeschränkter Erfolg. Missglückte Generalproben sorgen für gelungene Premierenabende oder so ähnlich.
Bei dieser Ausstellung war es nicht anders. Der Raum war mit gut gekleideten Madrileños gefüllt, die offensichtlich Freude an den Objekten hatten. Zumindest wenn man nach ihren lächelnden Mienen ging, die von den blauen Lichterketten beleuchtet wurden, mit denen ich den Raum gestaltet hatte.
Eine gelungene Eröffnung vermittelt immer ein gutes Gefühl, wobei ich zu erledigt war, um diese hier zu genießen. In der Menge handybewehrter Kunstförderer, die sich durch die Installation Spin the Cell Phone navigierten, sah ich mich nach Webb um. Der dröhnende Technobeat war unerträglich. Mit einem Stück süßem goldbraunen Gebäck schweifte ich an den Rand ab und versuchte, die
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