Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
schallte es da aus dem Wohnzimmer, und im selben Moment flitzte Clara mit wehenden Zöpfen auf die beiden Schwestern zu. »Du musst ganz schnell mal kommen!« Sie nahm Emma bei der Hand und zog sie ungeduldig ins Innere des Hauses, bevor diese ihrer Nichte erneut erklären konnte, dass sie es wirklich nicht mochte, wie ein altmodischer Kramerladen bezeichnet zu werden.
»Der Willi kann ganz toll zaubern. Der Willi hat zwei Geldstücke aus meiner Nase und, und, und … Dann, dann, dann war da … Der Willi hat …« Die Aufregung war offenbar etwas zu groß, um mit gerade mal fünfjährigem Sprachhintergrund sinnvolle und ganze Sätze zu bilden.
Emma hatte keine Ahnung, wovon die Rede war. Wahrscheinlich hatte die Kleine endlich mal wieder fernsehen dürfen. Das fand sie, weil es ihr so selten erlaubt wurde, immer besonders spannend. Willi war vielleicht eine Comicfigur, Kinderseriengestalt oder auch irgendein Quizmoderator, den sie gerade gesehen hatte.
Wie ein Gummiball auf und ab hüpfend führte Clara ihre Tante ins Wohnzimmer. Dabei plapperte sie fröhlich vor sich hin, ohne dass Emma auch nur ein Wort verstand. Das war wohl heute ein besonders aufregender Tag für Clara gewesen!
Als Emma den Raum betrat, saßen auf dem Merker’schen Sofa überraschenderweise zwei Männer. Mit dem einen, den Emma kannte, hatte sie gerechnet, mit dem anderen nicht.
»Schön, dass du da bist, Schwägerin!« Wenigstens Henning begrüßte sie wie immer freundlich und mit einer Umarmung. Nun gut, ihm bedeutete der momentane Zustand des Abendmenüs vermutlich weniger als seiner Frau. Außerdem war er einer der korrektesten Menschen, die Emma überhaupt kannte.
Der fremde Mann war ein schlanker Kevin-Costner-Verschnitt Mitte dreißig in Jeans und kariertem Hemd. Er erhob sich nun ebenfalls und streckte Emma die Hand hin: »Ich bin Willi, hi.« Dabei sah er aus, als wäre er soeben aus seiner kanadischen Blockhütte getreten, um auf Bärenjagd zu gehen.
»Ah, die Comicfigur, jetzt verstehe ich«, rutschte es Emma heraus.
»Wie bitte?«
»Ach, nichts. Clara hat nur eben so was dahergeplappert …« Eigentlich eine ganz miese Nummer, ihren Tritt ins Fettnäpfchen dem unschuldigen Kind in die Schuhe zu schieben! Zum Glück schien der kanadische Jäger das nicht bemerkt zu haben – Rotwerden war also unnötig.
»Ja, wir beide haben schon tolle Sachen gezaubert, nicht wahr, Clara?« Er drehte sich zu der Kleinen um, die ihn mit offenem Mund anstarrte und ehrfürchtig nickte.
»Der Willi kann aus einem Gummi zwei machen, Tante Emma. Hast du das gewusst?«
»Nein, da muss ich wohl eine klitzekleine Wissenslücke haben, mein Schatz!« Emma zwinkerte ihrer Nichte zu und ging vor ihr in die Hocke. »Aber du kannst mir ja sicher erzählen, wie das geht.«
Willi ließ sich wieder auf die Couch sinken und zog die Kleine liebevoll auf sein rechtes Knie. »Komm, wir zeigen es deiner Tante noch mal.« Ruckzuck hatte er zwei Haushaltsgummis über die Finger gezogen, ohne dass Emma so recht wusste, woher er sie geholt hatte.
»Jetzt musst du ganz fest hierhin pusten, Clara.« Er hielt dem Mädchen eine kanadische Holzfällerhand hin, die tatsächlich so aussah, als hätte sie in ihrem Leben schon einiges an harter Arbeit verrichtet. Trotzdem ging er mit Clara äußerst sanft, fast zärtlich um. Kein Wunder, dass sie voller Begeisterung für den Freund ihres Vaters war.
Die Kleine holte tief Luft, wie sie es für die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen gelernt hatte, und blies ein Gemisch aus Luft und Spucke auf Willis Finger, was ihn nicht im Geringsten störte. Er grinste, bedankte sich mit einer angedeuteten Verbeugung und legte Emma einen einzigen Gummiring in die Hand. Der zweite war verschwunden.
»Und ich hab gepustet!«, schrie Clara begeistert, sprang von Willis Schoß und lief zu ihrer Mutter in die Küche, um Bericht zu erstatten. Ihre Tante applaudierte beeindruckt und nahm sich vor, das Geheimnis des Zaubertricks bei Gelegenheit zu ergründen. Vielleicht konnte der patente Willi ja auch im Handumdrehen aus zwei Einzelpersonen ein Liebespaar machen.
»Wenn ich gewusst hätte, dass ihr heute extra für mich ein ganz besonderes Unterhaltungsprogramm vorbereitet habt, wäre ich natürlich überpünktlich gewesen«, entschuldigte sich Emma jetzt bei ihrem Schwager. Vor dem Fremden war ihr das Ganze nun doch etwas peinlich.
»Machen wir uns nichts vor, liebste Schwägerin, Pünkt lichkeit liegt dir ungefähr so fern wie Las Vegas
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