Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
endlich mal eins davon zur Schau zu tragen.
Nun gut, sie hatte nicht Jennifer Lopez’ Hüften und auch nicht deren Oberweite, aber ganz ohne weibliche Rundungen war sie nicht, wie sie zufrieden feststellte. Während Emma sich vor dem Spiegel hin und her drehte, wehte ihr die roséfarbene Seide in hauchzarten Wellen die Beine entlang bis fast auf den Boden – figurumfließend, wie es im Fachjargon hieß. Im Gegensatz dazu saß das in kleine Falten gelegte Bustier straff und figurbetont und gab den Blick auf ein ebenmäßiges Dekolleté frei, das allenfalls etwas blasser war als Marisas. Passende Sandaletten hatte sie sich von Mona geliehen, Kette und Ohrringe hatte die Großmutter aus ihrem Schmuckkästchen beigesteuert. Sie war auch die Einzige, der Emma erzählt hatte, wohin sie an diesem Freitagabend wirklich ging.
Natürlich hatte Fanny unzählige verrückte Tipps parat: »Männer zu erobern ist kein Hexenwerk. Wir hatten da früher alle möglichen Tricks, um ans Ziel zu kommen.« Mit einem verschwörerischen Zwinkern weihte sie die Enkelin ein: »Opa habe ich zum Beispiel kennengelernt, weil ich gaaaanz zufällig neben ihm gestolpert bin, direkt in seine Arme. Da hat er nicht mehr widerstehen können. Du kannst deinem Regisseur dabei auch noch den Aperitif auf den Smoking kippen, dann ist er a gmahde Wiesn, wirst sehn.« Sie kicherte wie ein junges Mädchen. »Was auch gut funktioniert, ist Anrempeln, sodass sein Drink auf dem Anzug landet.«
»Ich weiß nicht, Oma, ist das nicht alles ein bisschen übertrieben? So was liegt mir eher nicht so; ich bin schließlich nicht die, die Karate macht. Ich kann doch auch ganz normal mit ihm ins Gespräch kommen. Das wäre weniger peinlich.«
»Damals hatte ich auch noch keine Ahnung von Karate. Herzerl, völlig egal, wie du es machst. Hauptsache, du machst was und sitzt nicht den ganzen Abend in der Ecke und träumst vor dich hin!«
Wenn Fanny sie so sehen könnte, wäre sie zumindest schon mal stolz auf ihre Enkelin, dessen war Emma sich beim Blick in den Spiegel ziemlich sicher. Sie schminkte sich dezent, bändigte die kurzen Locken mit einem farblich passenden Band, zog den Mantel an und griff nach dem eigens noch schnell geschneiderten Täschchen. »Perfekt«, hauchte sie ergriffen ihrem Ebenbild zu. Gleichzeitig packte sie Angst vor dem, was jetzt unweigerlich auf sie zukam. Nun gab es kein Zurück mehr. Sie hatte die Eintrittskarte, sie hatte das komplette Outfit und vor allem einen Märchenprinzen, der das hoffentlich zu schätzen wusste. Wer, wenn nicht ein Filmschaffender, würde erkennen, was für ein Aufwand hinter diesem Auftritt steckte, und ihn entsprechend würdigen?
»Heute Abend ist das Zimmermädchen eine Lüge. Und das hier, das hier bist wirklich du«, zitierte sie leise aus Manhattan Love Story . Nun ja, sie war kein Zimmermädchen, sondern Schneiderin, aber sonst stimmte einfach alles. Bis auf ihre Haarlänge, doch die würde hoffentlich nicht den Ausschlag geben. Sie verließ die Wohnung und stöckelte wie auf rohen Eiern die Treppen hinunter. Der Gang musste bis zur Ankunft auf dem Bavaria-Gelände noch etwas optimiert werden, wenn sie nicht sofort vor Fürstberg auf die Knie fallen wollte. Als Einstand wäre das eventuell dann doch ein bisschen zu dick.
So übte sie von der Wohnungs- zur Haustür, von da bis zur Straßenbahn, von der Straßenbahn bis zum Bavaria-Eingang und von dort bis zum Ziel ihrer Träume. Rund um die Halle, wo der Empfang stattfand, waren dicht über dem Boden unzählige Scheinwerfer aufgestellt. Sie ließen Bäume und Büsche vor dem nächtlich schwarzen Himmel in allen Farben des Regenbogens leuchten und verwandelten sie in einen märchenhaften Zauberwald. Die wendeltreppenartig geschwungenen Feuerleitern links und rechts neben dem Eingang waren auf dieselbe Weise in ein geheimnisvolles Blau getaucht. Emma kam sich vor wie Cinderella, die am Abend des alles entscheidenden Balles furchtsam vor dem Königsschloss steht.
Als sie den roten Teppich und die Türsteher vor sich sah, wäre sie am liebsten auf der Stelle wieder umgekehrt. Kurz spielte ihr Kopfkino ein erschreckendes Szenario an peinlichen Fettnäpfchen und Pannen ab, doch dieser Film stoppte in dem Moment, als sie am Ende einer langen Schlange eleganter Menschen den begehrten Purpurläufer betrat. Ab jetzt bewegte sie sich wie in Trance. Halb schob man sie, halb ging sie hin – zu dem Stehtisch, an dem eine junge Frau mit einer langen Liste stand und sie
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