Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
»Außerdem wollte ich das Ganze ohnehin sofort wieder abhaken. Und jetzt das …«
»Aber das ist doch deine Chance! Ich hätte nie gedacht, dass man als Schneiderin so einfach Schauspielerin werden kann.« Die Großmutter schien ehrlich begeistert vom plötzlichen Berufswechsel ihrer Enkelin. »Das ist meine kleine Emma! Lieber ganz umsatteln, als einen Fehler zugeben. Ich bin stolz auf dich. Dann musst du deinen Regisseur ja auch gar nicht mehr anlügen. Das hast du ja wieder mal geschickt eingefädelt, Herzerl.« Sie strich der Enkelin liebevoll über die Wange und lehnte sich entspannt in ihrem Sessel zurück.
Dass Emma eher durch Zufall als durch Strategie an diese Rolle gekommen war, wollte Fanny wohl ebenso wenig zugeben wie die Möglichkeit, dass ihr Nachbar Jung vielleicht auch einmal im Recht sein konnte. »Da siehst du mal wieder, dass sich stets alles zum Guten wendet, mein Schatz.«
»Was meinst du damit jetzt genau, Oma? Dass ich in absehbarer Zukunft mit einem dümmlichen Joghurtspruch im Fernsehen zu bewundern bin und spätestens dann alles auffliegen wird? Oder dass meine Kollegin glaubt, dass ich so eine Art Aschenputtel des Komödienstadels bin? Oder …«
»Jetzt sieh doch nicht schon wieder alles so negativ. Du hast heutzutage viel mehr Möglichkeiten als ich damals. Zwei Berufe, zwei Männer … Was willst du noch mehr?«
Während des Gesprächs bediente sich Emma im Badezimmer bei »Fannys Schönheitskabinett«, wie die Enkelinnen es heimlich nannten. Die Großmutter hatte nicht nur ein Arsenal verschiedener Düfte aus aller Welt in den elegantesten Flakons. Sie sammelte auch Cremes gegen jegliche Alterserscheinung, Puder in unterschiedlicher Konsistenz und Farbe und unzählige teure Lippenstifte in ihrem antiken Schränkchen.
Nun gut, die Klamotten, die Emma heute in der Arbeit getragen hatte, waren nicht von Pretty Woman und Konsorten inspiriert. Dafür sah sie mit der schwarzen Bluse und einer ebensolchen Jacke mit weißen Punkten aus wie einem alten Stummfilm entstiegen und würde mit dem Styling bei Jo vielleicht noch zusätzlich punkten.
Fanny beriet sie geduldig bei der Auswahl der passenden Töne, und schon bald strahlte den beiden Frauen im Spiegel Emmas dezent, aber ergreifend geschminktes Gesicht entgegen. Die gedeckten Farben verstärkten den klassischen Eindruck und rundeten das Gesamtbild wunderbar ab. Ein zarter Duft nach Rosen gemischt mit einer leichten Orangennote und etwas Vanille lag in der Luft und weckte in Emma die nötige Unternehmungslust.
Währenddessen redete die Großmutter fast ununterbrochen auf ihre Enkelin ein, sie dürfe die Chancen, die sich ihr gerade boten, nur ja nicht ungenutzt verstreichen lassen. Emma nickte brav und widersprach kaum. Schließlich kannte sie ihre Oma schon lange genug, um zu wissen, dass es nur selten die Möglichkeit gab, sich mit einer anderen Meinung gegen sie durchzusetzen. Oberstudienrat a. D. Jung machte diese entmutigende Erfahrung vermutlich tagtäglich. Und vielleicht hatte sie ja recht, vielleicht war es ja gar nicht schlecht, auch mal selbst aktiv zu werden – wie die Heldinnen in Fannys Märchen.
Gegen acht machte Emma sich endlich mit ihrem Fahrrad in Richtung Schwabing auf. Vermutlich saßen Jo und Daniel schon in dem Club, in dem sie verabredet waren, und warteten auf sie. Da aber ein bisschen Verspätung den Reiz der Frauen bekanntermaßen nicht schmälerte, sondern eher erhöhte, ließ sie sich unterwegs noch zusätzlich Zeit. Die Frühlingsluft war mild und von einem schweren Blütenduft durchsetzt, daher genoss sie das langsame Dahinradeln sehr. Und die beiden Herren konnten sich ja über gemeinsame Themen unterhalten, da war eine halbe Stunde Warten vermutlich nicht der Rede wert.
Der Laden sah von außen extrem schick aus. Riesige Fenster gaben den Blick frei auf ein helles Ambiente mit stylischen Möbeln, wo elegante Menschen einen schönen Abend verbrachten. Für einen kurzen Moment kam sich Emma in ihrem Retro-Outfit viel zu altmodisch vor für die moderne Umgebung, beinahe hätte sie wieder umgedreht. Doch dann fasste sie sich ein Herz und betrat den Club. Trotz der großen Fenster hatte sie von draußen weder Daniel noch Jo ausmachen können. Sie mussten also ziemlich weit hinten einen Platz gefunden haben.
Emma durchquerte den gesamten Laden und glaubte schon, die beiden hätten sie versetzt, als sie an einem der letzten Tische plötzlich den Regieassistenten entdeckte. Von Jo keine
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