Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
Verlusten rechnen. Die Parallele zu Aschenputtels Stiefschwestern, die an ihren Füßen herumschnippelten, um in den begehrten Schuh zu passen, drängte sich geradezu auf. Doch Emma wollte es keinesfalls bis zum Blutvergießen kommen lassen.
Vielleicht hatte ja Marie ein paar Antworten auf ihre Fragen? Die Parallelen ihrer beider Liebesgeschichten waren immerhin offensichtlich, und sie hatte die ihre bravourös gemeistert. Doch auch die neue Freundin hatte kein Patentrezept, wie man den richtigen Frosch erkannte.
»Du hast Probleme!«, meinte Marie schließlich. »Dabei sind drei Männer doch in jedem Fall besser als keiner.«
»Hast du eine Ahnung. Drei Männer machen auch dreimal so viel Ärger.«
»Ich hab’s! Zwei hast du ja schon geküsst. Wenn sie sich nicht in Prinzen verwandelt haben, musst du vielleicht auch noch den Dritten küssen. Dann hast du wenigstens alles versucht.«
Toller Tipp. Nach dem Gespräch mit Marie war Emma nicht ein Fünkchen klüger als zuvor.
Um sich abzulenken, setzte sie sich an die Nähmaschine. Ihr Blick fiel auf das orangefarbene Kleid, das sie gestern nach ihrer Heimkehr wieder auf die Schneiderbüste gezogen hatte. Es hatte seinen Zweck noch nicht wirklich erfüllt, schließlich war es im Garten dunkel gewesen.
Die Änderungen waren ihr tatsächlich nicht so schlecht gelungen. Das Modell erschien jetzt etwas weicher und verspielter, was einen ganz anderen Eindruck vermittelte als im Film. Vielleicht ließ sich ja an den übrigen Kleidern auch noch das eine oder andere variieren?
Im Schrank bewahrte Emma sämtliche Stoffreste ihrer Nähprojekte und schöne Stoffe, die sie gerne mal auf Verdacht kaufte, in mehreren großen Schachteln auf. Inzwischen hatte sich dort auch schon ein üppiger Fundus angesammelt, den sie schon lange nicht mehr gründlich gesichtet hatte.
Bald lagen die Textilien über den Schlafzimmerboden ausgebreitet, und Emma saß mittendrin. Um sie leuchtete es in allen Farben. Glitzerstoffe, Fellstücke, weiche und harte Materialien, Geblümtes und Gestreiftes – im Laufe der Zeit war eine stattliche Auswahl verschiedenster Muster zusammengekommen. Der Stoff, aus dem die Träume sind …, dachte Emma.
Sie nahm dieses oder jenes Stück zur Hand, fuhr mit dem Finger über die rauen oder glatten Oberflächen und hielt mehrere Materialien aneinander. Eine schier unerschöpfliche Menge an Möglichkeiten tat sich vor ihr auf. Genau das Richtige für diesen trüben Sonntag, an dem es jetzt auch noch zu regnen angefangen hatte. Emma strich mit der Handfläche über ein großes Stück zarter rötlicher Spitze, für das sie irgendwann einmal immens viel Geld ausgegeben hatte. Zum Verarbeiten war es ihr bisher immer viel zu schade gewesen.
Wenn sie in Vivians rotes Ballkleid kleine Ärmel aus dieser Spitze einsetzte, würde das der Robe vermutlich etwas von ihrer Strenge nehmen. Das war nämlich einer der Gründe, warum Emma das Kleid noch nie getragen hatte. Vielleicht könnte sie es dann doch einmal anziehen – zu einer passenden Gelegenheit. Aber an einem Stoff von der Qualität dieser Spitze konnte man natürlich nicht einfach so herumschnippeln. Da musste zunächst ein anständiger Entwurf her.
Schon lange hatte Emma keine Modezeichnung mehr gemacht, nicht mehr, seit sie die Filmklamotten nachgeschneidert hatte. Danach hatte sich keine Gelegenheit mehr ergeben. Ein Grund mehr, sich mal wieder mit Papier und Stift an die Arbeit zu machen. Mit wenigen Strichen war das Modell skizziert – das gab es ja schließlich schon. Entscheidend waren lediglich die Neuerungen. Daran saß Emma über eine Stunde – immer wieder zeichnete sie Ärmel und verwarf sie. Auf einem Meer von Stoffen schwammen nun auch noch etliche Papierknäuel über den Schlafzimmerboden.
Doch endlich war eine Skizze fertig, die tatsächlich keinen schlechten Eindruck machte. So könnte es funktionieren. Sie holte die Schachtel mit dem Schnittpapier.
Ein bisschen aufgeregt war Emma schon, als sie nach dem angefertigten Schnitt die endgültigen Teile abmaß und dann mit der Schere abtrennte. Dann nähte sie die Stoffstücke zusammen und setzte sie an den Schultern in Vivians Opernkleid ein. Und allmählich bekam sie auch wieder Spaß am Experimentieren nach ihren eigenen Ideen, die sie so lange verdrängt hatte. Die Stichsäge legte darauf ja keinen Wert, im Gegenteil.
Den ganzen Nachmittag war Emma an ihrem Nähtischchen mit Entwerfen, Zuschneiden, Heften und Nähen beschäftigt. Danach
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