Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
schnell. Und nahm man sie nicht, konnte sie einfach so weitermachen wie bisher oder es an anderer Stelle noch einmal versuchen. Auf ein oder zwei Stunden für ein Casting kam es dann auch nicht unbedingt an.
»Klar, kein Problem«, sagte sie also großspurig, »ich hab ja Zeit.«
»Super. Jo will nämlich die, die er schon kennt, zuerst anschauen.«
Jetzt wurde Emma wieder bewusst, dass sie sich dieses Mal auch noch vor ihrem Schwarm beweisen musste. Und wenn das erneut so ein Fiasko wurde, war sie vermutlich gleich ganz unten durch. Es stand also alles auf dem Spiel – beruflich wie privat. Ob sie mit dieser Aussicht ganz locker in ein Vorsprechen ging, blieb noch abzuwarten. Doch zurück konnte sie jetzt sowieso nicht mehr. Nun musste sie darauf vertrauen, dass es das Schicksal doch gut mit ihr meinte.
Als sie zurück in die Werkstatt kam, konnte sich die Stichsäge einen weiteren bissigen Kommentar nicht verkneifen: »Schön, dass Sie auch noch mal auftauchen. Ich dachte schon, Sie wären bereits ins Wochenende gegangen.«
Emma antwortete lieber nicht darauf und war umso froher, dass das Casting am Dienstag in ihre Mittagspause fiel. Noch einmal konnte sie sich keine fingierte Krankmeldung oder einen Arzttermin leisten.
Erst einmal musste sie aber nach der Arbeit dringend bei der Großmutter vorbeischauen. Erstens war sie heute mit Einkaufen dran, und zweitens gab es schon wieder einiges zu erzählen. Also fuhr sie zum Biosupermarkt und danach mit den Lebensmitteln im Fahrradkorb ins Lehel. Fanny erzählte ausführlich von ihrem Wochenende mit Clara. Natürlich hatte sie auch ihr ein paar Märchen erzählt, die nicht ganz dem Original entsprachen.
»Und? Was glaubst du? Sie hatte kein Problem damit. Sie fand es toll«, berichtete sie triumphierend und sah Emma Beifall heischend an.
Kein Wunder, dachte die, ihr seid ja auch verwandt.
Fanny war kein bisschen erstaunt, als sie von der Pleite am Samstag und dem bevorstehenden Casting erfuhr. »Bei dir überrascht mich zurzeit gar nichts mehr«, meinte sie spitzbübisch und kniff ihre Enkelin leicht in die Wange.
»Das hilft mir aber jetzt auch nicht recht viel weiter«, meinte Emma weinerlich und ließ sich, nachdem sie die Einkäufe in den Kühlschrank geräumt hatte, auf einen Küchenstuhl plumpsen. »Glaubst du, ich hab eine Chance?«
»Meinst du den Fernsehfilm oder eher seinen Regisseur?«
»Beides. Ich hab das Gefühl, dass alles ziemlich aus dem Ruder läuft. Soll ich es so einfach laufen lassen?«
»Laufen lassen war noch nie die beste Lösung, Herzerl. Finde heraus, was du wirklich willst, und nimm dein Leben selbst in die Hand. Von deiner Chefin hast du dich jetzt lange genug gängeln lassen.«
»Du meinst also auch, dass ich das mit der Schauspielerei machen sollte?« Emma war froh, von der Großmutter endlich einen ganz konkreten Ratschlag zu bekommen.
Doch Fanny sagte nur: »Du musst das machen, was du wirklich willst. Was auch immer das ist, mein Schatz.«
Vielen Dank. Jetzt war sie wieder genau da, wo sie in den letzten Wochen schon mehrmals gewesen war. Mal wollte sie es als Schauspielerin versuchen, mal hatte sie die Nase gestrichen voll davon. Manchmal konnte sie sich nichts Schöneres vorstellen, als mit Jo vor dem Traualtar zu stehen, und dann wieder hatte sie das Gefühl, dass vielleicht doch Daniel besser zu ihr passen würde. Und was war eigentlich mit Willi? Zu wissen, was man im Leben wollte, war gar nicht so einfach.
»Madl, jetzt setz dich doch nicht so unter Druck mit deinen Männern und Berufen«, meinte Fanny jetzt auch noch, »du bist doch jung und hast noch genug Zeit, alles Mögliche auszuprobieren.«
»Jung? Ich bin immerhin schon achtundzwanzig«, protestierte ihre Enkelin und kam sich vor wie Clara, die gerne mal vehement darauf pochte, dass sie schließlich kein kleines Kind mehr war.
»Das ist ja uralt!« Die Großmutter lachte. »Glaub mir, du hast trotzdem noch einiges vor dir.« Und Emma war sich momentan nicht ganz sicher, ob sie sich darüber freuen sollte.
Als sie durch den lauen Maiwind nach Hause radelte, ging ihr das Gespräch mit Fanny nicht aus dem Kopf. Manchmal hätte sie gerne gewusst, was in ihrem Leben noch so auf sie zukommen würde. Von der Maximiliansbrücke konnte man die Schwäne auf der Isar beobachten – ein prächtiges Vorbild für lebenslange Partnerschaft. Wenn die das schafften, obwohl so etwas im Tierreich eher unüblich war, dann sollte es doch für Emma kein so großes Problem
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