Verliebt Verlobt Vergeltung - Roman
reicht mir eine Schachtel Kleenex.
»Danke«, murmele ich. Ich nehme mir ein Kleenex und reibe damit unter meinen Augen herum. Das Tuch ist im Nu schwarz verschmiert. Ich knülle es zusammen und nehme noch eins. Michael hält den Papierkorb hoch.
Ich ziele und werfe natürlich daneben. Das Kleenex-Knäuel prallt an der Seite des Papierkorbs ab und fällt zu Boden.
Michael verdreht die Augen. »Frauen«, sagt er und hebt es auf.
Kein Kommentar, denke ich und schaue mich um. Kein imposantes Bücherregal mit voluminösen Gesetzestexten und dunkles, schweres Mobiliar, wie man das immer in Anwaltsfilmen sieht - nein, Michaels Büro wirkt hell und freundlich, geradezu gemütlich. Grünpflanzen, eine kleine Ledercouch mit ein paar bunten Kissen und überall Fotos von Heather. Und über dem Schreibtisch keine Urkunden und Auszeichnungen, sondern eine Andy-Warhol-Marilyn.
»Ich mag dein Büro«, sage ich.
»Meine Mandanten sollen sich hier wie zu Hause fühlen«, meint Michael und öffnet einen Minikühlschrank neben seinem Schreibtisch. »Coke?«, fragt er. »Oder lieber Perrier?«
Er sagt das ganz ulkig - nicht wie die Franzosen Perrier aussprechen würden, sondern sehr texanisch. Päää-riiii-ääärrr.
Ich winke ab und schiebe ihm stattdessen einfach den Vertrag über den Schreibtisch. »Schau dir diesen Scheiß mal an«, sage ich.
Michael hebt eine Augenbraue. »Rechtsberatung gibt es nur gegen ein Jahr kostenloses Babysitten.«
»Kein Problem«, sage ich. »Zeit habe ich jetzt mehr als genug.« Ich sinke in den Sessel und lehne den Kopf an. Es ist gerade mal Mittag, und ich bin schon so was von fertig.
Michael schaut sich den Vertrag an. Beim Lesen verzieht er
das Gesicht, reibt sich die Stirn und kaut sichtlich besorgt an seiner Unterlippe.
»Also, er schlägt dir vor, dass du eine Abfindung von neun Monatsgehältern bekommst und dich im Gegenzug verpflichtest, die nächsten drei Jahre nicht für die Konkurrenz zu arbeiten - ein klassischer Knebelvertrag. Die reine Erpressung, wenn du mich fragst, aber nach der Gesetzeslage unseres wunderbaren Staates durchaus legal.« Er faltet einen kleinen Flieger aus dem Vertrag und lässt ihn haarscharf an mir vorbeisausen. »Du hast nichts unterschrieben, als du da angefangen hast, oder?«
Ich lasse den Kopf hängen. »Nein«, sage ich leise und komme mir auf einmal vor wie die dümmste Frau der Welt.
»Wenn du das Geld nimmst - also diesen Quatsch da unterschreibst -, sind dir die Hände gebunden.«
»Denn ich kann für keine andere Firma in meiner Branche arbeiten, es sei denn, ich verzichte auf die Abfindung.«
»So ist es«, sagt Michael. Er stützt die Ellenbogen auf den Schreibtisch, verschränkt die Hände und stützt sein Kinn darauf. »Wie wichtig ist dir denn die Abfindung? Hast du Ersparnisse?«
Ich muss an meinen Notgroschen von Henry denken.
»Nicht viel. Ich zehre jetzt schon davon.«
»Ich wusste auch gar nicht, dass Carlton Konkurrenz hat«, meint Michael. »Ist Organics 4 Kids nicht das einzige Unternehmen in dem Sektor?«
»Nicht ganz«, sage ich. »Es gibt einen Unternehmensriesen. Carlton wollte Organics 4 Kids irgendwann an Giganto Foods verkaufen - um seine Millionen einzusacken.Es war geplant, dass Giganto Organics 4 Kids dann landesweit als Marke ausbauen würde. Für große Konzerne ist es oft günstiger, ein kleines, am Markt gut aufgestelltes Unternehmen aufzukaufen, als in dem Segment eine eigene Produktlinie zu entwickeln -
gerade weil Carlton im Süden schon ganz gut Fuß gefasst hatte: Texas, Oklahoma, Georgia, Alabama, Mississippi«, referiere ich.
Michael winkt ab und sagt: »Schon verstanden. Weiter.«
»Das Problem ist nur, dass man bei Giganto Foods wohl ein ähnliches Konzept bereits in der Schublade hatte, bevor Carlton und ich überhaupt mit Organics 4 Kids anfingen. Wahrscheinlich haben sie es damals erst mal auf Eis gelegt, um zu sehen, wie es bei uns läuft. Unsere Firma - oder besser gesagt Carltons Firma - war also eine Art Versuchskaninchen.«
»Und jetzt hat Carlton Angst, dass du zu Giganto überläufst«, stellt Michael fest.
»Genau«, erwidere ich. »Denn mit seinem riesigen Budget kann Giganto Organics 4 Kids entweder aufkaufen - oder aber vom Markt verdrängen.«
»Klingt, als solltest du dich da mal vorstellen«, meint Michael. »Sag Carlton, dass er seine mickrige Abfindung behalten und sich diese Wettbewerbsklausel in seinen knackigen Arsch schieben soll.«
»Theoretisch eine gute Idee. Aber es gibt
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