Verliebt verlobt Versace Roman
mir nicht gesagt?«, schleuderte ich ihr entgegen. Jegliche Bedenken, ihr die Hochzeit zu verderben, lagen weit hinter mir. Ich war von den Menschen, denen ich auf dieser Welt am meisten vertraute, nach Strich und Faden betrogen worden.
»Angela, ich - warum versuchen wir nicht -« Tim legte seine Hand auf meinen Unterarm. Ehe ich wusste, was ich tat, riss ich meinen Arm weg und zerschmetterte ihm mit meinem Schuh die Fingerknöchel.
»Hör bloß auf damit, meinen Namen so auszusprechen, als sei er ein Beruhigungsmittel!« Ich hielt inne und biss die Zähne zusammen. »Ich habe Mark gerade dabei erwischt, wie er eure Tennispartnerin auf dem Rücksitz unseres Autos bumst.«
Wenn ich bei meinem Angriff auf den Fingerknöchel des Bräutigams noch nicht die Aufmerksamkeit aller hatte, so hatte ich sie jetzt.
»O Angela«, schluchzte Louisa. »Ich habe es dir zu sagen versucht, ich dachte nur, du wüsstest es inzwischen längst. Du weißt schon, irgendwo ganz tief drinnen.«
»Und an welchem Punkt hast du das gedacht? Als ich dir
erzählte, ich sei absolut glücklich und mir noch immer sicher, Mark zu heiraten? Als ich dir nicht sagte, dass mein Freund ein betrügerischer Mistkerl ist? Oder als ihr damit angefangen habt, Doppel mit ihm und dieser Schlampe zu spielen?«
Louisa brach in Tränen aus, drehte sich um und rannte aus dem Raum, aber ihr Weg durch die Terrassentüren wurde ihr von Mark versperrt. Noch immer in seinen fleckigen Boxershorts, Socken und dem halb zugeknöpften Hemd, stand er erstarrt unter dem Blick von dreihundert Hochzeitsgästen, von denen die meisten gerade erst mitbekommen hatten, was da vor sich ging. Als ich endlich daran dachte weiterzuatmen, nahm ich mir einen Moment Zeit, die Szene zu betrachten. Tim sah mich mit blankem Entsetzen an und hielt seine blutende Hand umklammert, Louisa stand heulend mitten auf der Tanzfläche, umgeben von kreischenden Kindern, und Mark, der sich am Türrahmen festklammerte, als wäre dies alles, was ihn noch aufrecht hielt, und mich ungläubig anstarrte. Ich warf einen Blick zurück auf die Gäste und sah, wie meine Mutter sich aus der Menge löste. Sie musterte jeden Einzelnen von oben bis unten, hielt inne, schürzte ihre Lippen und kam dann direkt auf mich zu. Sie lockerte meine weißen Knöchel und löste aus meiner linken Hand meine Louboutins, um meine Hand selbst fest zu packen.
»Komm mit«, sagte sie ruhig und legte mir eine Hand ins Kreuz, um mich durch den Raum zu geleiten. Bis auf den Boden zu meinen Füßen nahm ich nichts mehr wahr, auch das Gemurmel um mich herum hörte ich nicht. Ich spürte nur noch die Hand meiner Mutter und den Kies, der immer noch an meinen nackten Sohlen klebte.
Es muss etwa fünf Uhr morgens gewesen sein, als ich aufwachte. Das Zimmer war so groß und still, und ich spürte, wie sich die Stäbe meines Brautjungfernkleids in meine Rippen bohrten. Ich drehte mich um und merkte, dass in diesem herrlichen großen Bett nicht mein Verlobter neben mir lag, mein Mark, sondern meine Mutter. Ihre perfekte Hochzeitsgarderobe lag sorgfältig zusammengelegt über einer Stuhllehne, und ich zögerte einen Moment, ehe ich mich vergewisserte, was sie stattdessen anhatte. Es ist schon recht merkwürdig, die eigene Mutter in einem alten Blondie-T-Shirt und den Boxershorts des Freundes zu sehen. Ehemaligen Freundes. Ich setzte mich langsam auf und vermied dabei jeglichen Blickkontakt mit meinem Spiegelbild, bis ich mich im Badezimmer eingeschlossen hatte. Mein zum Chignon aufgestecktes Haar glich einem zerzausten Vogelnest, mein Make-up war von Schlaf, Tränen und Liegefalten verschmiert, und die nicht ohnehin bereits eingerissenen oder beschmutzten Teile meines Kleides waren bis zur Unkenntlichkeit zerknittert und zerknautscht.
Nachdem ich mich meiner Kleidung, der Ohrringe, der Halskette und des Verlobungsrings entledigt hatte, trat ich unter die riesige Dusche und ließ einfach das Wasser laufen. Wie hatte das passieren können? Wie hatte es, mal abgesehen davon, dass ich meiner besten Freundin die Hochzeit vermasselt hatte, so weit kommen können, dass mein Freund mich, von mir unbemerkt, aber mit Wissen all meiner Freunde so lange und so offenkundig hintergehen konnte? Es war nicht einfach nur ein Seitensprung, es war eindeutig was Ernstes. Was sollte ich tun? Wohin sollte ich gehen? Während sich die Duschkabine mit Dampf füllte und ich mich einschäumte, abspülte und die Prozedur wiederholte, versuchte ich vernünftig zu
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