Verliebte Abenteuer
ihrer Kunst verheiratet sei.«
»Aha. Und weiter?«
»Nichts weiter. Dann tauchte, wie gesagt, im Park jener Mann auf.«
»Der Gärtner?«
»Vermutlich. Er gab mir den Brief an Sie und versprach mir die zehn Pfund. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Brav, mein Sohn, mehr mußt du auch nicht sagen.« Dr. Mores Stimme wurde mild wie Sahne mit Erdbeeren. »Und nun schlaf schön, mein Sohn –«
McFladden brach zusammen. Er wimmerte und biß in das Gestänge des Gummibettes. Er rannte wieder gegen die Wände und heulte wie ein Schakal. Dann wurde er plötzlich still, so still, daß Dr. More ängstlich durch den Spion blickte, weil er dachte, der Patient sei ohnmächtig geworden.
McFladden saß mit angezogenen Knien auf dem Boden und hatte die Hände um den Kopf gelegt. So dachte er angestrengt nach.
Schotten sind listig, das weiß die halbe Welt. Die andere Hälfte hält sie nur für geizig. Das eine wie das andere ist Ansichtssache. Ich persönlich teile keine der beiden Auffassungen. Ich sage schlicht: Schotten sind Menschen wie du und ich. Na ja, Ausnahmen gibt es immer. Auch McFladden und Dr. More waren Ausnahmen, der eine war in der Tat besonders geizig, der andere hielt sich für besonders schlau. Übertriebene Schlauheit kann aber an Dummheit grenzen. Dr. More war ein solcher Fall. Was ist eigentlich Dummheit? Ein Schwimmbecken, in welchem ein Mensch, der betroffen ist, seinen Leib in den Abwässern seines Geistes badet.
Halt! sagen Sie jetzt! Keine Philosophie! Wir wollen wissen, wie es weiterging. Blieb McFladden denn in seiner Gummizelle? Nahm er Rache? Was machte Dr. More nun? Immer langsam, liebe Leserin – Sie haben es viel zu eilig. Sie leiden an der nervösen Hast des zwanzigsten Jahrhunderts. Ruhe – meine Liebe – nur Ruhe. Wie Dr. More immer sagte: Nur wer die Ruhe hat, hat Ruhe. Das ist auf den ersten Blick ein dummer Spruch, aber wer ihn genau durchkaut, erkennt darin die ganze Weisheit unseres an sich trostlosen Lebens.
McFladden verbrachte die Nacht in der Gummizelle still. Zerfressen von seinem unmenschlichen Leid, brachte er kein Auge zu. Er weinte ein bißchen – er war eine weiche, zu Tränen neigende Natur –, dann fluchte er leise, was er gerne tat, denn Teil seiner spezifischen Männlichkeit war ein größeres Repertoire entsprechender Ausdrücke, über das er verfügte. Im ganzen benahm er sich in dieser Nacht jedoch gesittet und gab den Wärtern, die durch das Sanatorium patrouillierten und hie und da einen armen Nervengestörten mit oder ohne Anwendung von Gewalt ins Bett bugsierten, keinerlei Anlaß dazu, auch gegen ihn einzugreifen. Die wesentlichste Störung verursachte ein junger Mann, der mondsüchtig auf der Terrasse stand und Arien aus dem ›Wildschütz‹ sang.
Am nächsten Morgen betrat Dr. More unter Begleitschutz dreier baumlanger Wärter die Gummizelle. McFladden war kurz zuvor endlich doch eingeschlafen. Man brachte ihm nun aber sein Frühstück, bestehend aus einem Ei, drei belegten Brötchen und einer Gummitasse mit lauwarmem Kaffee, und verließ die Zelle wieder.
Als man nach einer Stunde nachsah, waren die Brötchen gegessen und der Kaffee getrunken. Nur das Ei klebte an der Wand und bildete einen häßlichen gelben Fleck, der die Polsterung verunzierte.
An diesem Morgen unterhielt sich dann Dr. More, mutig, wie er war, mit seinem Patienten in der Gummizelle. Er saß ihm auf einem mitgebrachten Schemel gegenüber. Draußen vor der Tür standen zwei Wärter parat mit einer Zwangsjacke und paßten auf. Das wußte McFladden nicht, denn hätte er es gewußt, wäre sofort der nächste Tobsuchtsanfall fällig gewesen. So aber schwebte ihm nur eine menschliche Unterhaltung von Mann zu Mann vor. Dabei war er freilich von vornherein benachteiligt, denn den Gedankengängen seines Gegenübers konnte er nicht lange folgen.
Dr. More hatte am Abend zuvor noch Erkundigungen eingezogen, und zwar diskrete, über einige Mittelspersonen, ohne mit dem Hause Gower selbst in Kontakt zu treten. Und das war gut so, denn sonst könnte ich hier gleich aufhören und McFladden aus seiner Gefangenschaft entlassen. Es liegt mir jedoch daran, Sie noch über einige Seiten mit seinem ferneren Schicksal in Spannung zu halten. Dr. More hatte also in Erfahrung gebracht, daß es im Hause Gower wirklich einen Gärtner gab – einen Mann namens Percy Bishop – und daß ein Mr. McFladden wirklich ein Verehrer der berühmten Sängerin war, der sie zu jenem Zeitpunkt in ihrem prachtvollen Heim
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