Verliebte Abenteuer
vielleicht in London oder Paris oder in Amerika; hohe Herrschaften sind exzentrisch, sie können sich das leisten, das wissen Sie doch auch, tut mir leid«, sagte der alte Butler und beendete das unfruchtbare Gespräch, indem er einfach auflegte.
»Schweinerei! Alles Verrückte!« Dr. More erhob sich und las noch einmal den Brief durch. Kein Zweifel – oben das Wappen, das Papier der Ashbornes – das Schreiben war echt. Behalten wir den McFladden also, dachte Dr. More. Aber so ohne weiteres geht das nicht, sonst bin ich dran wegen Freiheitsberaubung. Ich muß einen Grund finden.
Er ging hinüber in das Sanatorium und hörte nun doch schon auf dem Gang gedämpfte Laute aus der Gummizelle dringen. Er trat an den Spion an der Tür heran, klappte ihn auf und sah in die Zelle.
McFladden tanzte einen Jitterbug erster Klasse. Er hatte das Gummibett demontiert und die Teile gegen die Wand geschleudert. Er stand ohne Jackett in der Zelle, drehte sich wie ein Kreisel um sich selbst und heulte wie ein Sioux auf dem Kriegspfad. Dann rannte er mit dem Kopf gegen die Wände, die gut gefedert seine Rammstöße schluckten. Das war für einen abgebrühten Mann wie Dr. More keine beängstigende Sache, sondern er neigte dazu, darin eher eine sportliche Betätigung zu sehen. McFladden übte sie fleißig aus und brüllte dabei in einer ordinären, injurienreichen Sprache.
Dr. More beobachtete ihn eine Weile. Dann rief er in den Spion hinein. Im gleichen Moment beendete McFladden seine Gymnastik und stürzte auf die Tür zu. Er brachte das erhitzte Gesicht blitzschnell ganz nah an das Loch heran und spuckte Dr. More zielsicher ins Auge.
»Sie Lump!« heulte er. »Ich bin in einer Gummizelle! Hilfe! Hilfe! Lassen Sie mich raus!«
Dr. More stand im Flur und wischte sich die Spucke aus dem Auge. So etwas! Das war zwar nicht das erstemal, daß ihn ein Patient anspuckte, aber eine solche Ladung hatte ihm noch keiner verpaßt. Das Allererstaunlichste war diesmal die Zielsicherheit; es war sozusagen kein Tröpfchen verlorengegangen. Dr. More mußte lange wischen. Dann trat er leise wieder an den Spion heran und lugte vorsichtig in die Zelle. McFladden stand in der Mitte des kleinen Raumes und stampfte auf Teilen des zerstörten Gummibettes herum.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte Dr. More.
»Ich will raus!« brüllte McFladden.
»Das dürfen Sie auch, mein Sohn.«
»Sofort!«
»Ja. Ja. Noch eine kurze Nacht, dann geht es Ihnen besser. Wenn oben durch das Fenster der Mondschein fällt – wir haben Vollmond, das Licht ist wie Silber –, dann wird Ruhe in Ihr Herz einziehen – große Ruhe – ganz große Ruhe …«
Die Worte des Arztes wurden beschwörend, suggerierend. McFladden riß den Mund weit auf und starrte auf das kleine Loch in der dicken Tür, durch das hohl die Laute kamen. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Vielleicht bin ich wirklich verrückt, dachte er. Die Stimme – dieser Raum –
»Ich will nach Hause«, sagte er weinerlich.
»Morgen, mein Lieber, morgen.«
»Was habe ich denn getan?« McFladden kam an die Tür heran. Zum Spucken fehlte es ihm nun schon an Energie. Er sah bemitleidenswert aus. Seine Haare hingen ihm in die Augen. »Ich bin doch nicht wahnsinnig«, jammerte er. »Ich wollte mir nur zehn Pfund nicht entgehen lassen. Man hat mich hierhergeschickt. Ich glaube, ein Bediensteter war es, vielleicht der Gärtner. Er gab mir den Brief.«
Dr. More war erstaunt. »Welcher Gärtner?« fragte er. »Und wo war das?«
»Im Park von Loretta Gower.«
»Der berühmten Sängerin?«
»Ja.«
»Was machten Sie denn bei der?«
»Ich hielt um ihre Hand an.«
Größenwahn, diagnostizierte Dr. More. Jetzt ist es deutlich erwiesen. Dieser arme Mann, dieser Kranke, dieser Narr, dieses Würstchen, das Jagd auf zehn Pfund macht, bildet sich Loretta Gower ein, die Weltberühmte. Unglaublich! Wenn er noch gesagt hätte, er sei Napoleon oder Isaac Newton – aber das! Dr. More schüttelte den Kopf.
»Sind Sie sicher, daß Sie nicht um die Hand jenes Gärtners angehalten haben?« fragte er.
»Dr. More!« McFladden ballte die Fäuste. Seine Figur wurde zu einer Kordel, da er sich rasch mehrmals um sich selbst drehte. »Glauben Sie mir doch! Ich traf diesen Mann im Park, jawohl, und ich kam gerade von Loretta. Sie hatte mir gesagt, daß sie mit ihrer Kunst das Ehebett teile.«
»Wie bitte?«
»Daß sie mit ihrer Kunst das Ehebett teile.«
»Hat sie das wörtlich gesagt?«
»Wörtlich hat sie gesagt, daß sie mit
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