Verliebte Abenteuer
meine Ruhe haben. Ich will niemanden sehen. Ich will dichten.«
»Du bist reichlich unhöflich, mein Junge«, stellte Tante Abbot erregt fest.
Ashborne zuckte die Schultern. »Ehrlichkeit wird oft mit Unhöflichkeit verwechselt. Das ist das Los des aufrechten Mannes.«
»Du kommst also nicht?«
Tante Mary erhob sich beleidigt und drückte die Hände an ihren teigigen Busen.
William schüttelte verneinend den Kopf.
»Wie du willst«, sagte sie, rollte zur Tür und riß sie auf. »Ich hätte nicht gedacht, daß ein Lord Ashborne sich so benehmen kann. Ich werde mich für dich nicht mehr verwenden.«
»Damit brichst du mir das Herz«, sagte William ironisch.
Die Tante sah ihn groß an, dann holte sie tief Luft, als wolle sie ihren Neffen einatmen, drehte sich schroff um und rauschte die Treppe hinab. Als sich unten der Rolls Royce in Bewegung setzte und davonfuhr, saß Ashborne schon in seinem Sessel und löschte in einem Buch einen Posten.
»Erbe Mary Abbot«, stand da. Und nun ein dicker Strich durch diese Zeile. Melancholisch sah William danach auf den Garten hinaus und hinüber zu den weiten grünen Hügeln der schottischen Landschaft.
Ich bin ein Esel, dachte er. Aber was soll ich machen? Bei einem Gesellschaftsabend, an dem Loretta teilnimmt, komme ich mit ihr nicht weiter. Und an dieser Gans Saltefleet habe ich schon gar kein Interesse. Außerdem wartet Percy auf mich. Und überhaupt ist das die beste Art, mich an Loretta heranzumachen – als ihr Fahrer nämlich und nicht als Lord Ashborne, dem sie ihre Liebe vielleicht nur des großen Namens wegen zuwendet, den er trägt.
Nur eins stimmte ihn bedenklich: Loretta war eine Nichte von Tante Mary. Das konnte Schwierigkeiten zur Folge haben, gerade jetzt, da die alte Dame wütend auf ihn war. Ob er nicht doch alles falsch gemacht hatte? Ob er nicht doch ein Trottel war?
Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Bekanntlich sind die Gedanken, die plötzlich durchs Gehirn zucken, oft die besten. Sie haben schon manchen armen Schlucker zum Millionär gemacht. Den Gedanken, den William aber soeben hatte, wollte er sich nicht bezahlen lassen – er hatte ihn sozusagen ehrenamtlich.
Beschwingt ging er zum Telefon und meldete ein Ferngespräch nach London an.
In London saß ein Mann, dem es bei Nennung des Namens Ashborne kalt über den Rücken lief. Er hieß Silvester Holyhead und hatte einen Beruf, der gefährlicher gar nicht sein konnte: Er war Verleger. Solche Menschen fallen unter die Kategorie der Märtyrer – entweder sterben sie an Dolchstichen wütender Dichter, deren Werke sie abgelehnt haben, oder an der Mißachtung der Leser. Häuft sich letzteres, ist ein Konkurs unausweichlich, und die Schuld daran suchen die Verleger auch wieder bei den Schriftstellern, die aus der Konkursmasse auch prompt nichts erhalten.
Aber das gehört wieder nicht hierher, und wenn das mein Verleger liest, druckt er womöglich den ganzen Roman nicht, und Sie kommen dadurch nicht in den Genuß, das Leben William Ashbornes weiter verfolgen zu können. Das wäre schade, denn gerade jetzt beginnt es äußerst turbulent zu werden. Wundern Sie sich über gar nichts mehr – ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, daß William Ashborne eine äußerst farbige Persönlichkeit ist.
Er meldete also ein Ferngespräch nach London an und wollte Silvester Holyhead sprechen.
Warum – das verrate ich Ihnen noch nicht, denn gerade an diesem Abend hatte Percy in Aberdeen ein merkwürdiges Erlebnis.
Das vierte Kapitel,
in dem Percy Bishop plötzlich einen fremden
Mann sieht
Wer acht Stunden am Tag im Garten steht und jätet oder pflanzt, gräbt oder harkt, der kann am Abend ein Lied singen von dieser Arbeit. Percy Bishop, der mit den spärlichen Kenntnissen aus seinem zu Rate gezogenen Gartenlehrbuch auf die Blumen und Beete des Parks losgelassen worden war, hatte das Gefühl, als ob sein Kreuz gleich oberhalb seiner sogenannten vier Buchstaben einfach abgebrochen wäre. Als er sich aufrichtete und es auch noch ›knack‹ im Rücken machte, glaubte er fest daran, daß sich seine Knochen verschoben hätten, und wankte auf sein Zimmer.
Den Gong, der zum Essen rief, überhörte er, und als ihm deshalb Bebsy das Essen auf die Stube brachte (»Sogar zum Essen bist du zu faul«, meinte sie dabei), kam er sich kläglich und winzig wie eine lahme Ameise vor. Inzwischen hatte Bebsy sich angewöhnt, ihn auch zu duzen, wie es unter Dienstpersonal nun mal so üblich ist.
Percy hatte Loretta Gower, seine
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