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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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irgendetwas.
      So, wie sie hier saß, hatte sie das Gefühl, kaum einen Versuch gemacht zu haben.
      Tally schaute dem neuen Ugly in die Augen. "Im Grunde ist es doch so: Zwei Wochen Wahnsinns-Sonnenbrand sind ein fairer Preis für ein Leben in Schönheit."
      Der Kleine kratzte sich am Kopf. "Hä?"
      "Das hätte ich sagen sollen, aber ich habe es nicht gesagt. Das ist alles."
           ***
      Der Hubwagen des Krankenhauses traf endlich ein und setzte so leicht auf dem Schulgelände auf, dass das frisch gemähte Gras sich kaum bewegte.
      Der Fahrer war ein Mittel-Pretty, der Vertrauen und Autorität ausstrahlte. Er hatte solche Ähnlichkeit mit Sol, dass Tally fast den Namen ihres Vaters gerufen hätte.
      "Tally Youngblood?", fragte er.
      Tally hatte schon den Lichtblitz gesehen, der ihren Augenabdruck gelesen hatte, aber sie sagte trotzdem: "Ja, die bin ich." Etwas an diesem Mittel-Pretty machte es schwer, eine patzige Antwort zu geben. Er war die personifizierte Weisheit, sein Auftreten so ernst und förmlich, dass Tally sich bei dem Wunsch ertappte, sich passender angezogen zu haben.
      "Bist du so weit? Viel Gepäck hast du ja nicht."
      Ihre Reisetasche war nur halb voll. Alle wussten, dass die neuen Pretties das meiste von dem, was sie über den Fluss mitnahmen, doch gleich recycelten. Sie würde dann ja auch alle Kleider und jede neue Pretty-Spielerei haben können, die sie sich wünschte. Eigentlich wollte sie nur Shays Zettel behalten, und den hatte sie zwischen allerlei willkürlich in die Tasche gestopftem Kram versteckt. "Das reicht doch."
      "Gut gemacht, Tally. Das ist sehr erwachsen."
      "So bin ich eben, Sir."
      Die Tür wurde geschlossen und der Wagen hob ab.
            ***
      Das große Krankenhaus lag am anderen Ende von New Pretty Town. Hierhin kamen alle, die umfassende Operationen brauchten, Winzlinge, Uglies, sogar späte Pretties von weit draußen in Crumblyville, die sich zu lebensverlängernden Behandlungen einfanden.
      Der Fluss funkelte unter einem wolkenlosen Himmel und Tally ließ sich von der Schönheit von New Pretty Town mitreißen. Auch ohne die nächtlichen Lichter und das Feuerwerk funkelten überall Glas und Metall, die fantastisch geformten Partytürme warfen dünne Schatten über die Insel. Alles hier war viel realer als in der Ruinenstadt, das sah Tally jetzt plötzlich. Nicht so dunkel und geheimnisvoll vielleicht, aber viel lebendiger.
      Es war Zeit, Shay nicht mehr nachzutrauern. Das Leben würde von jetzt an eine einzige lange Party sein, voller schöner Menschen. Wie Tally Youngblood.
      Der Hubwagen landete auf einem roten X auf dem Krankenhausdach und der Fahrer brachte Tally ins Haus und führte sie in ein Wartezimmer. Ein Krankenhausmitarbeiter schlug Tallys Namen nach, ließ ihr Auge wieder aufblitzen und sagte, sie solle warten.
      "Kommst du zurecht?", fragte der Fahrer.
      Sie schaute in seine klaren, sanften Augen und hätte ihn gern gebeten zu bleiben. Aber eine solche Bitte kam ihr nicht gerade erwachsen vor. "Ja, kein Problem. Danke." Er lächelte und ging.
      Sie war allein im Wartezimmer. Tally ließ sich im Sessel zurücksinken und zählte die Platten an der Decke. Beim Warten fielen ihr ihre Gespräche mit Shay wieder ein, aber die machten ihr jetzt nicht mehr so viel Sorgen. Es war zu spät, um irgendetwas zu bereuen.
      Tally wünschte, es gäbe ein Fenster mit Blick auf New Pretty Town. Sie war jetzt so nahe dran. Sie stellte sich den nächsten Abend vor, ihren ersten Abend als Pretty, sie würde die neuen schönen Kleider tragen (und ihre Schuluniformen in den Recycler stecken) und vom höchsten Partyturm herabschauen, den sie finden konnte. Sie würde zusehen, wie auf dem anderen Flussufer die Lichter ausgingen, Schlafenszeit für Uglyville, und wissen, dass noch die ganze Nacht vor ihr lag, zusammen mit Peris und ihren neuen Freunden und den vielen schönen Menschen, die sie jetzt kennenlernen würde.
      Sie seufzte.
      Sechzehn Jahre. Endlich.
      Eine endlose Stunde lang passierte gar nichts. Tally trommelte mit den Fingern und fragte sich, ob man immer so ewig warten musste.
      Und dann kam der Mann.
      Er sah seltsam aus, ganz anders als alle Pretties, die Tally je gesehen hatte. Er war einwandfrei mittleren Alters, aber wer immer seine Operation vorgenommen hatte, hatte dabei gepatzt. Er war schön, das ja, aber es war eine entsetzliche Schönheit.
      Statt weise und vertrauenerweckend zu wirken, sah der Mann

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