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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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war wie der Wechsel von einem Dreirad auf ein Motorrad, beängstigend, aber erregend.
      Tally fragte sich, ob es auf dem Weg nach Smoke wohl viele Stromschnellen geben würde. Vielleicht stand ihr ja wirklich ein Abenteuer bevor. Natürlich würde es am Ende der Reise nur Verrat geben. Oder schlimmer noch, sie könnte feststellen, dass Shays Vertrauen zu David nicht berechtigt gewesen war, und das könnte ... alles bedeuten. Vermutlich etwas Entsetzliches.
      Sie zitterte und beschloss, nicht noch einmal an diese Möglichkeit zu denken.
      Als Tally die Abzweigung erreichte, wurde sie langsamer und wendete das Brett, um einen letzten Blick auf die Stadt zu werfen. Die funkelte hell im dunklen Tal und war so weit weg, dass sie sie mit einer Hand verdecken konnte. Tally konnte Feuerwerk sehen, das sich wie leuchtende Blüten entfaltete, alles in perfekter Miniatur. Die Wildnis um sie herum kam ihr so viel größer vor, der tosende Fluss so mächtig, die Wälder riesig, und in ihren schwarzen Tiefen verbargen sich Geheimnisse.
      Sie gestattete sich einen letzten langen Blick auf die Lichter der Stadt, dann trat sie ans Ufer und fragte sich, wann sie ihr Zuhause wiedersehen würde.
      Auf dem Pfad überlegte Tally dann, wie oft sie wohl würde zu Fuß gehen müssen. Der Flug zu den Stromschnellen war ihr bisher schnellster gewesen, noch schneller sogar als die rasanten Flüge durch den Stadtverkehr mit dem Hubwagen der Besonderen Umstände. Nach diesem Geschwindigkeitsrausch kam sie sich vor wie eine Schnecke, als sie jetzt Rucksack und Brett tragen musste.
      Aber schon bald tauchte unter ihr die Ruinenstadt auf und der Metalldetektor des Brettes führte Tally zu einer natürlichen Eisenader. Sie flog an ihr entlang auf die zerfallenden Türme zu und ihre Nerven spielten verrückt, als die Ruinen vor ihr aufstiegen und den Blick auf den Halbmond versperrten. Die zerfallenden Gebäude umgaben sie, die verbrannten und stummen Wagen zogen unter ihr vorüber. Als sie durch die leeren Fensterhöhlen schaute, wurde ihr bewusst, wie allein sie war, eine einsame Wanderin in einer leeren Stadt.
      "Über die Lücke spring mit der Acht", sagte sie laut, wie eine Beschwörung, um sich mögliche Rusty-Gespenster vom Leib zu halten. Immerhin war dieser Teil der Botschaft glasklar. Hier musste einfach von der Achterbahn die Rede sein.
      Zwischen den Ruinen öffnete sich das Gelände und Tally ließ dem Hubbrett freieren Lauf. Als sie die Achterbahn erreicht hatte, drehte sie die gesamte Runde mit Spitzentempo. Vielleicht war "über die Lücke" das einzig wichtige Stichwort, aber Tally hatte beschlossen, die Botschaft wie einen Zauberspruch zu behandeln. Und irgendeinen Teil auszulassen, könnte alles sinnlos machen.
      Und es tat gut, wieder schnell und hart zu fliegen und die Gespenster der Ruinenstadt hinter sich zu lassen. Als sie durch scharfe Kurven und steile Abfälle dahinjagte, kam Tally sich vor wie etwas, das der Wind erfasst hat - sie hatte keine Ahnung, wohin die Reise sie am Ende führen würde.
      Einige Sekunden ehe sie den Sprung über die Lücke wagen musste, erloschen die Lichter des Metalldetektors. Das Brett sackte unter ihr weg und schien ihren Magen mitzunehmen, zurück blieb nur ein hohles Gefühl im Bauch. Ihr Verdacht hatte sich bestätigt - bei Spitzentempo hatte es nicht viel an Warnung gegeben.
      Tally flog durch die stumme Dunkelheit und hörte dabei nur ihr eigenes Sausen. Sie dachte daran, wie sie das erste Mal die Lücke übersprungen hatte und wie wütend sie gewesen war. Einige Tage später war die Sache zu einem Spaß zwischen ihnen geworden, zu einer typischen Ugly-Nummer. Aber jetzt hatte Shay es wieder geschafft, sie war verschwunden, wie die Schienen unter ihr, und hatte Tally im freien Fall zurückgelassen.
      Als sie bis fünf gezählt hatte, flackerten die Lichter wieder auf und die Auffangarmbänder hielten sie fest, während das Brett reaktiviert wurde und sich mit beruhigender Festigkeit unter ihre Füße schob. Am Fuße des Hügels machte die Schiene eine Kurve und schraubte sich dann in engen Kurven nach oben. Aber Tally drosselte ihr Tempo, flog geradeaus und murmelte "über die Lücke". Noch immer zogen unter ihren Füßen Ruinen dahin. Hier draußen waren sie fast vollständig überwuchert, nur ab und zu ragte eine formlose Masse aus der Umklammerung der Vegetation auf. Aber die Rusties hatten solide gebaut, sie waren verliebt gewesen in ihre verschwenderischen

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