Verliere nicht dein Gesicht
"Smoke zu erreichen."
"Ich?"
"Tally, du bist die Einzige, die diese Anweisungen verstehen kann."
"Ich habe doch schon gesagt, ich weiß nicht, was sie bedeuten."
"Aber das wirst du, wenn du erst unterwegs bist. Und wenn du ... ausreichend motiviert bist."
"Aber ich habe Ihnen doch schon alles gesagt, was ich weiß. Sie haben es mir versprochen!"
Dr. Cable schüttelte den Kopf. "Mein Versprechen war, Tally, dass du erst hübsch werden wirst, wenn du uns nach besten Kräften geholfen hast. Und ich bin davon überzeugt, dass deine Kräfte dafür ausreichen."
"Aber warum ich?"
"Hör mir gut zu, Tally. Glaubst du wirklich, es ist das erste Mal, dass wir hier von David hören? Oder von Smoke? Oder dass wir gekritzelte Wegbeschreibungen gefunden haben?"
Tally zuckte zusammen, als sie die rasierklingenscharfe Stimme der Frau hörte, und wandte sich ab von dem Zorn in ihrem grausamen Gesicht. "Ich weiß nicht."
"Wir haben das alles schon oft gesehen. Aber wenn wir selbst losziehen, finden wir nichts. Oder eben höchstens Rauch."
Der Kloß steckte jetzt wieder in Tallys Hals. "Aber wie soll ich dann irgendwas finden?"
Dr. Cable zog die Kopie von Shays Zettel wieder zu sich heran. "Die letzte Zeile, wo vom >kahlen Kopf< die Rede ist, bezieht sich offenbar auf einen Treffpunkt. Du gehst hin, du wartest. Früher oder später werden sie dich abholen. Wenn ich einen Hubwagen voller Kollegen hinschickte, würden deine Freunde vermutlich ein wenig misstrauisch werden."
"Sie meinen, ich soll allein losziehen?"
Dr. Cable holte tief Luft und verzog angewidert das Gesicht. "Das ist wirklich nicht schwierig, Tally. Du hast dir die Sache anders überlegt. Du willst doch weglaufen und deiner Freundin Shay folgen. Einfach noch eine Ugly, die der Tyrannei der Schönheit entkommen ist."
Tally schaute durch die Tränen, die sich jetzt in ihren Augen sammelten, in das grausame Gesicht. "Und was dann?"
Dr. Cable hob noch einen Gegenstand aus dem Diplomatenkoffer, eine Halskette mit einem kleinen Herz als Anhänger. Sie drückte es zusammen und das Herz sprang auf. "Schau hinein."
Tally hielt sich das Schmuckstück vors Auge. "Ich kann nichts sehen ... oh!"
Der Anhänger hatte aufgeleuchtet und sie für einen Moment geblendet. Das Herz stieß einen kleinen Piepslaut aus.
"Dieser Sender reagiert nur auf deinen Augenabdruck, Tally. Wenn er aktiviert wird, sind wir in wenigen Stunden da. Wir können sehr schnell reisen." Dr. Cable ließ die Kette auf den Tisch fallen. "Aber du darfst ihn erst aktivieren, wenn du Smoke erreicht hast. Wir haben wirklich lange gebraucht, um das so zu organisieren. Ich will jetzt, dass alles klappt, Tally."
Tally zwinkerte, um sich vom Nachhall des Blitzes zu befreien, und versuchte ihr erschöpftes Gehirn zum Denken zu zwingen. Sie wusste jetzt, dass es hier nie darum gegangen war, einfach ein paar Fragen zu beantworten. Sie hatten sie von Anfang an als Spionin haben wollen, als Infiltratorin. Sie fragte sich, wie lange das schon geplant gewesen war. Wie oft hatten die Besonderen Umstände schon versucht, Uglies für sich arbeiten zu lassen? "Ich kann das nicht."
"Du kannst, Tally. Du musst. Betrachte es als Abenteuer."
"Bitte. Ich hab noch nie eine ganze Nacht außerhalb der Stadt verbracht. Nicht allein."
Dr. Cable ignorierte das Schluchzen, das Tallys Worte begleitete. "Wenn du jetzt nicht sofort zustimmst, dann suche ich mir jemand anderen. Und du wirst für immer hässlich bleiben."
Tally blickte auf, sie versuchte durch die Tränen zu schauen, die jetzt hemmungslos strömten, hinter Dr. Cables grausame Maske, um dort die Wahrheit zu finden. Und die lag in den stumpfen, metallgrauen Augen, eine kalte, entsetzliche Sicherheit, ganz anders als alles, was eine normale Pretty jemals vermitteln könnte. Tally wusste, dass diese Frau jedes Wort so gemeint hatte.
Entweder schlich Tally sich in Smoke ein und verriet Shay oder sie blieb ihr Leben lang hässlich.
"Ich muss mir das überlegen."
"Du kannst erzählen, dass du in der Nacht vor deinem sechzehnten Geburtstag weggelaufen bist", sagte Dr. Cable. "Das bedeutet, dass du schon vier Tage verloren hast. Wenn es weitere Verzögerungen gibt, dann werden sie dir nicht glauben. Sie werden erraten, was passiert ist. Also entscheide dich jetzt."
"Ich kann nicht. Ich bin zu müde."
Dr. Cable zeigte auf den Bildschirm an der Wand und ein Bild tauchte dort auf. Wie
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