Verliere nicht dein Gesicht
in diesem Tal. Auf den ersten Blick ist es komisch, aber so haben auch die Prä-Rusties gelebt, weißt du. Und auf der anderen Seite des Berges pflanzen wir neue Bäume, die die Orchideen zurückdrängen können."
"Na gut", sagte Tally skeptisch. Sie sah eine Gruppe von Uglies. die einen gefällten Baum bewegten, sie schoben ihn auf zwei Hubbrettern vor sich her. "Gibt’s hier ein Gitter?"
Shay nickte glücklich. "Nur hier und da. Wir haben einige Metallschienen von einer Eisenbahnstrecke geholt, solche, auf denen du die Küste hochgereist bist. Wir haben in Smoke einige Hubwege gelegt und nach und nach werden wir das ganze Tal versorgen. Das gehört zu meinen Aufgaben. Alle paar Schritte verbuddeln wir ein Stück Schrott. Wie alles hier ist es anstrengender, als man meinen sollte. Du hast ja keine Vorstellung, wie viel ein Rucksack voll Stahl wiegt."
David und die anderen waren schon auf dem Weg ins Tal, sie glitten nacheinander zwischen zwei in leuchtendem Orange bemalten Steinreihen hindurch. "Ist das der Hubweg?", fragte Tally.
"Ja. Also los, ich bring dich in die Bücherei. Du musst den Boss kennenlernen."
***
Der Boss hatte in Smoke eigentlich nicht das Sagen, erklärte Shay. Er tat nur so, vor allem Neulingen gegenüber. Aber er hatte die Bücherei unter sich, das größte Gebäude auf dem Platz mitten in der Siedlung.
Der vertraute Geruch von verstaubten Büchern überwältige Tally, als sie die Tür zur Bücherei öffneten. Sie schaute sich um und ihr ging auf, dass Bücher so ungefähr das Einzige waren, was es hier gab. Es gab keinen großen Wandbildschirm, nicht einmal private Arbeitsbildschirme. Es gab nur wahllos zusammengewürfelte Tische und Stühle und reihenweise Bücherregale.
Shay führte sie in die Mitte des Raumes, wo in einem runden Kiosk eine kleine Gestalt saß, die mit einem altmodischen Handapparat telefonierte. Als sie näher kam, spürte Tally, wie ihr Herz loshämmerte. Sie hatte Angst davor, was sie jetzt sehen würde. Der Boss war ein alter Ugly. Tally hatte auf dem Weg hierher einige aus der Ferne gesehen, hatte aber noch schnell in eine andere Richtung blicken können. Aber hier nun saß die runzlige geäderte, verfärbte, schlurfende entsetzliche Wahrheit, unmittelbar vor ihr. Seine milchigen Augen schauten wütend drein, als er mit knatternder Stimme sein unsichtbares Gegenüber herunterputzte und mit einer Klaue signalisierte, dass er nicht gestört werden wollte.
Shay kicherte und zog Tally zu den Regalen. "Der wird sich schon noch um uns kümmern. Und vorher möchte ich dir etwas zeigen."
"Der arme Mann ..."
"Der Boss? Ganz schön wild, was? Der ist aber auch schon vierzig. Warte mal, bis du mit ihm gesprochen hast."
Tally schluckte und versuchte sich von dem Bild seiner schlaffen Züge zu befreien. Diese Leute waren doch wahnsinnig, wenn sie das gestatteten, wenn sie es so wollten. "Aber sein Gesicht ...", sagte Tally.
"Das ist noch gar nichts. Sieh dir das mal an." Shay führte sie an einen Tisch, drehte sich zu einem Regal um und zog eine Handvoll Bände in Schutzhüllen heraus. Sie knallte sie vor Tally auf den Tisch.
"Bücher aus Papier? Was ist damit?"
"Nicht Bücher. Die werden >Zeitschriften< genannt", sagte Shay. Sie öffnete eine und zeigte hinein. Die seltsam glänzenden Seiten waren mit Bildern gefüllt. Mit Bildern von Menschen.
Von Uglies.
Tally mache große Augen, als Shay umblätterte, zeigte und kicherte. Sie hatte noch nie so viele komplett unterschiedliche Gesichter gesehen. Münder und Augen und Nasen in allen vorstellbaren Formen, alle auf irrsinnige Weise bei Menschen jeglichen Alters kombiniert. Und die Körper erst! Manche waren grotesk fett oder auf bizarre Weise übermuskulös, andere waren unangenehmdünn, und fast alle hatten falsche und hässliche Proportionen. Aber statt sich ihrer Deformierungen zu schämen, lachten diese Leute, küssten, posierten, als wären alle Fotos auf einem riesigen Fest aufgenommen worden. "Wer sind diese Freaks?"
"Das sind keine Freaks", sagte Shay. "Das komische ist, das sind alles Berühmtheiten."
"Weshalb denn berühmt? Weil sie so entsetzlich aussehen?"
"Nein. Das sind Sportstars, Schauspielerinnen, Künstler. Die Männer mit den strähnigen Haaren sind Musiker, glaube ich. Die richtig Hässlichen sind Politiker und irgendwer hat mir gesagt, dass die Fettsäcke meistens Komiker sind."
"Das ist komisch, ich meine,
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