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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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"He", zischte er.
      Sie erkannte die schlaffen Züge, die verbitterte Miene.
      Es war der Boss.
      "Junge Dame, wir haben ein Problem." Seine grobe Stimme zerschnitt den Lärm des Angriffs.
      Sie schaute zu der wartenden Special hinüber. "Ja, ich weiß." Ein weiterer Hubwagen dröhnte über sie hinweg und der Boss zog sie um die Hausecke und hinter eine Regentonne.
      "Das ist dir also auch schon aufgefallen?" Er grinste und zeigte dabei eine Zahnlücke. "Vielleicht, wenn wir beide gleichzeitig losrennen, dann könnte einer von uns es schaffen. Wenn der andere sich ordentlich wehrt."
      Tally schluckte. "Ja, kann sein." Sie schaute zu der Special hinüber, die so gelassen dastand wie ein Runzling, der auf eine Vergnügungsfähre wartet. "Aber die sind ganz schön schnell."
      "Kommt drauf an." Er ließ eine Reisetasche von seiner Schulter rutschen. "Hier sind zwei Dinge, die ich für Notfälle immer bei mir habe."
      Der Boss öffnete die Tasche und zog einen Plastikbehälter hervor, der groß genug war, um einem Butterbrot Platz zu bieten. "Das ist der eine." Er öffnete den Behälter an einer Ecke und ein Staubwirbel erhob sich. Gleich darauf stob eine Flamme durch Tallys Kopf. Sie schlug die Hände vors Gesicht, ihre Augen trieften und sie versuchte den Flammenfinger, der ihr in die Kehle gekrochen war, herauszuhusten.
      "Nicht schlecht, was?", kicherte der Boss. "Das ist reiner kubanischer Pfeffer, getrocknet und zu Pulver zermahlen. Zu Bohnen ganz gut, aber in den Augen die Hölle."
      Tally kniff die Augen zusammen, um ihre Tränen zu vertreiben, und würgte ein "Spinnst du?" heraus.
      "Der zweite Gegenstand ist diese Tasche, die eine repräsentative Auswahl von zweihundert Jahren visueller Kultur der Rusty-Zeit enthält. Unbezahlbare und unwiederbringliche Stücke. Welchen also willst du?"
      "Hä?"
      "Willst du den Pfeffer oder die Tasche mit den Zeitschriften? Willst du gefangen werden, während du unsere Freundin am Waldrand angreifst? Oder willst du ein kostbares Teil unserer menschlichen Erbschaft vor diesen Barbaren retten?"
      Tally hustete noch einmal. "Ich glaube ... ich will entkommen."
      Der Boss lächelte. "Gut. Ich hab das Laufen satt. Hab es auch satt, meine Haare zu verlieren und reichlich kurzsichtig zu sein. Ich habe mein Teil geleistet und du siehst aus wie eine gute Läuferin."
      Er reichte ihr die Tasche. Sie war schwer, aber hier in Smoke war Tally stärker geworden. Zeitschriften waren nichts im Vergleich zu Altmetall.
      Sie dachte an den Tag ihrer Ankunft, als sie in der Bücherei zum ersten Mal eine Zeitschrift gesehen und voller Entsetzen begriffen hatte, wie die Menschen früher ausgesehen hatten. Beim Anblick der Bilder war ihr damals schlecht geworden, jetzt aber war sie bereit, sie zu retten.
      "Wir machen das so", sagte der Boss. "Ich laufe los, und wenn die Special mich packt, dann streue ich ihr Pfeffer ins Gesicht. Du rennst, so schnell du kannst, und wirfst nicht einen Blick zurück. Verstanden?"
      "Ja."
      "Wenn wir Glück haben, schaffen wir es beide. Obwohl ich mir das Gesicht ja gern liften lassen würde. Fertig?"
      Tally zog sich die Tasche höher auf die Schulter. "Los geht’s "
      "Eins ... zwei..." Der Boss hielt inne. "Ach, du meine Güte. Wir haben ein Problem, junge Dame."
      "Nämlich?"
      "Du hast keine Schuhe."
      Tally schaute nach unten. In ihrer Verwirrung war sie barfuß aus dem Schlafhaus gestolpert. Es war leicht genug, über den festgetrampelten Lehmboden in der Siedlung zu laufen, aber im Wald ...
      "So schaffst du es keine zehn Meter weit, Kleine."
      Der Boss nahm ihr die Tasche weg und reichte ihr den Plastikbehälter. "Und jetzt los."
      "Aber ich ...", sagte Tally. "Ich will nicht zurück in die Stadt."
      "Ja, junge Dame, und ich hätte nichts gegen eine anständige Zahnbehandlung. Aber wir müssen alle Opfer bringen. Auf geht’s." Mit diesen Worten schob er sie hinter der Regentonne hervor.
      Tally stolperte vorwärts und stand plötzlich mitten auf der Straße. Das Dröhnen des Hubwagens schien direkt über ihr zu hängen und instinktiv zog sie den Kopf ein und rannte auf den schützenden Wald zu.
      Die Special schaute zu Tally hinüber, verschränkte gelassen die Arme und runzelte die Stirn wie eine Lehrerin, die Winzlinge an Orten entdeckt, wo sie nicht spielen dürfen.
      Tally fragte sich, ob der Pfeffer die Frau verletzen würde. Wenn er auf die Special dieselbe Wirkung hatte wie auf sie

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