Verlobung auf Italienisch
„Du telefonierst viel und wirkst ziemlich gestresst.“
„Ich bin nicht gestresst.“ Eben noch war er ganz locker gewesen, nun wirkte er distanziert. „Alles ist gut.“
Auf der Stelle bereute sie ihre Worte. „Gut. Es muss dir eine Menge bedeuten.“
„Ja, das tut es.“ Unvermittelt sprang er vom Bett und ging ins Bad. „Ich dusche jetzt. Bestell dir Frühstück.“
Da sie sich plötzlich sehr verletzlich fühlte, deckte sie sich schnell zu. Mal waren Rio und sie sich ganz nahe, im nächsten Moment wies er sie jäh zurück.
Während sie dem Rauschen des Wassers in der Dusche lauschte, fragte sie sich, was an diesem Geschäft ihm so wichtig sein mochte. Hätte sie das Thema bloß nicht angesprochen! Warum reagierte er derart gereizt? Machte er sich Sorgen, oder wollte er nur nicht darüber reden?
Evie duschte in dem anderen Bad und war erleichtert, als Rio sich zum Frühstück zu ihr gesellte.
Sie nahm sich eine Schale mit Obstsalat und beobachtete ihn dabei, um seine Stimmung abzuschätzen. „Ich habe in den Zeitungen geblättert. Du hattest recht. Sie haben Fotos von der Modenschau gedruckt.“
Er schenkte sich Kaffee ein. „Und wie lautete die Schlagzeile?“
Prompt errötete sie. „Ziemlich albern.“
„Alle lassen sich in epischer Breite über meinen plötzlichen Sinneswandel aus. Offenbar spielen wir unsere Rolle sehr überzeugend, tesoro .“
Sein Lächeln faszinierte sie so, dass ihr der Atem stockte und ihr Herz einen Schlag aussetzte. Rio und sie waren so überzeugend, dass sie es fast selbst glaubte. Wäre er nicht gelegentlich so distanziert, hätte sie sich leicht der Illusion hingeben können, dass ihre Beziehung echt war. Dass sie ihn nicht bald wieder verlassen musste.
Schnell aß sie einen Löffel Obst und rief sich ins Gedächtnis, dass sie für den Moment lebte. „Dann sollten wir ihnen noch bessere Motive liefern. Was steht heute Abend auf dem Plan?“
„Die Russen haben uns eingeladen. Das Bolschoi-Ballett gibt ein Gastspiel im Royal Opera House in Covent Garden.“
„Wow!“ Genüsslich leckte sie ihren Löffel ab. „Ich war noch nie im Ballett. Wie aufregend!“
„Ach ja? Männer in Strumpfhosen reizen mich überhaupt nicht.“ Er stand auf, als sein Telefon klingelte. „Aber da du ihre neue beste Freundin bist und fließend Russisch sprichst, können wir den Abend sicher nutzen. Entschuldige mich, ich muss das Gespräch entgegennehmen.“
„Natürlich.“ Dass Rio sie brauchte, erfüllte sie mit einem Hochgefühl, das den ganzen Tag anhielt. Sie genoss den Besuch in der Oper und ihre Rolle als Dolmetscherin.
Wladimir war genauso charmant wie auf dem Ball, doch es war Rio, dem ihre Aufmerksamkeit galt. Im Schutz der Dunkelheit ihrer Loge betrachtete Evie ihn unentwegt, fasziniert von seinem markanten Profil und seiner überwältigenden Aura.
Einmal begegnete er ihrem Blick und zog fragend eine Braue hoch. Sie lächelte nur. Da man von ihr erwartete, dass sie ihn bewundernd ansah, konnte er ihre wahren Gefühle nicht erraten.
Im Foyer waren sie von Fotografen umringt, die sie unzählige Male ablichteten. Inzwischen machte es Evie nichts mehr aus, weil es immer unwahrscheinlicher wurde, dass das Nacktfoto noch gedruckt wurde.
Anschließend besuchten sie wieder einen Ball, und diesmal brauchte Evie Rio nicht zum Tanzen zu überreden. Nachdem sie so viele intime Stunden miteinander verbracht hatten, bewegten sie sich eng umschlungen und in perfekter Harmonie im Takt der Musik.
„Singst du heute Abend gar nicht?“, fragte Rio leise, den Mund dicht an ihrem.
Evie musste sich daran erinnern, das Atmen nicht zu vergessen. In seinen Armen schien alles andere unwichtig zu werden.
Kein Wunder, dass ihn noch nie eine Frau verlassen hatte!
„Nein. Das Foto haben sie schon.“ Seine Körperwärme berauschte sie. „Grandpa hat es übrigens gefallen. Er meinte, es hätte ihn ans letzte Jahr erinnert, als ich dasselbe im Rathaus gemacht habe.“
„Dort hast du auch auf dem Tisch getanzt?“
„Nein – zum Glück gab es dort keinen Champagner.“ Lächelnd blickte Evie zu ihm auf. „Ich würde gern etwas richtig Weihnachtliches machen. Können wir nicht Schlittschuh laufen? Oder in ein Weihnachtskonzert gehen? Auf dem Tisch habe ich eine Einladung für eins in der St. Pauls Cathedral gesehen. Ich weiß, dass du das Fest nur als Unterbrechung deiner Arbeit betrachtest, aber ich liebe es.“
Rio antwortete nicht. Zuerst dachte sie, er hätte ihre Frage nicht
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