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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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ich jemanden mitnahm; allerdings war bei mir eine Berührung nötig. Einmal hatte ich Pritkin zufälligerweise bei einem Sprung mitgenommen, ohne ihn zu berühren, und deshalb wusste ich, dass so etwas möglich war. Aber sechs?
    Eine Person so weit zu bringen, hatte sich für mich angefühlt, als risse mir jemand die Eingeweide aus dem Leib. Fünf weitere … Das konnte ich mir nicht einmal vorstellen. Die Macht wurde damit durchaus fertig — die Kraft der Pythia war praktisch unerschöpflich, soweit ich wusste. Aber das galt nicht für die Kraft der Person, die diese Energie kanalisierte. Und dann die Zeitwelle und die Zeitschleife und die Verfolgungsjagd durch London und …
    Und es war mir ein Rätsel, warum meine Mutter nicht völlig erschöpft auf dem Bürgersteig lag. Sie musste müde sein. Alles andere wäre absurd gewesen.
    Und nicht nur absurd. Wenn sie nicht müde war, saßen wir verdammt tief in der Tinte.
    »Hier entlang.«
    Erst jetzt merkte ich, dass ich die Augen geschlossen und trotz der Kälte halb gedöst hatte. Ein kurzes Zerren am Arm weckte mich. Ich folgte Mircea über die Straße, und zwar ohne einen Ton, um ihn nicht zu stören. Aber offenbar konnte er einer Spur folgen und gleichzeitig reden, denn er sah mich an, als wir kaum fünf Schritte hinter uns hatten.
    »Haben wir einen Plan?«
    »Ich muss sie berühren.«
    »Das ist kein Plan, Dulceata, sondern ein Ziel.«
    Ich runzelte die Stirn. »Na schön, du bist dran.«
    »Wenn ich nahe genug herankomme, kann ich den Magier schwächen und dieser Sache ein Ende setzen.«
    Mircea meinte die Fähigkeit von Meistervampiren, Blutpartikel durch die Luft aufzunehmen, ohne die Bela-Lugosi-Schau abzuziehen. Ich hatte einmal beobachtet, wie Mircea einen Burschen innerhalb weniger Sekunden auf diese Weise geleert hatte, doch so beeindruckend das auch sein mochte, bei uns kamen wir damit nicht weiter. »Bestimmt schützt er sich mit einem Schild.«
    »Ich kann Blut auch durch einen Schild aufnehmen. Es dauert nur etwas länger.«
    »Wie lange?«
    »Beim durchschnittlichen Magier …« Mircea zuckte mit den Schultern. »Dreißig Sekunden, um ihn außer Gefecht zu setzen, und etwa eine Minute, um ihn zu töten. Aber bei stärkeren Schil-den und der Kraft eines Kriegsmagiers … Ich schätze, fünfmal so lange.«
    Ich glaubte nicht, dass der Magier über einen so starken Schild verfügte, aber was wusste ich schon? Ich hatte ihn auch nicht für fähig gehalten, meine Mutter zu entführen. »Also im schlimmsten Fall zweieinhalb Minuten bis zur Bewusstlosigkeit.«
    »Aus einer gewissen Entfernung, ja. Aber wenn ich direkt bei ihm bin, sollte ich es in einem Drittel dieser Zeit schaffen.«
    Ich blieb in Bewegung, richtete aber einen ungläubigen Blick auf Mircea. »Du kannst in fünfzig Sekunden genug Blut von einem Kriegsmagier aufnehmen, damit er bewusstlos wird – durch seinen Schild?«
    »Es hängt vom Magier ab, und ich kenne die Fähigkeiten dieses Mannes nicht. Aber für gewöhnlich …«
    »Für gewöhnlich?«
    Er verzog die Lippen. »Sagen wir, es ist das, was ich erwarten würde.«
    Ich entschied, ihn nicht zu fragen, worauf diese Erwartungen basierten.
    »Zweieinhalb Minuten sind eigentlich gar nicht schlecht«, sagte ich hoffnungsvoll. »Es sollte uns gelingen, sie so lange im Auge zu behalten.«
    »Ja, aber wenn ich aus der Entfernung versuche, merkt er es sicher, bevor ich ihn außer Gefecht setzen kann. Und dann springen sie entweder oder greifen an.«
    »Und wir können uns weder das eine noch das andere leisten.«
    »Nein.« Arger erschien in Mirceas Gesicht. »Normalerweise würde ich auf die Hilfe der Familie zurückgreifen, aber ich habe mich nie für London interessiert und keine Residenz in dieser Stadt.
    Zwar könnte ich mir Leute von einem anderen Senator ausborgen …«
    »Wir haben keine Zeit.«
    »Nein.«
    »Wir sind also auf uns allein gestellt.« Erstaunlicherweise verschwand ein Teil der Anspannung aus meinem Nacken.
    Es musste auch in meiner Stimme zu hören gewesen sein, denn Mircea musterte mich aufmerksam. »Warum klingst du plötzlich erleichtert?«
    »Ich bin nicht in dem Sinne … erleichtert. Es ist nur; dass… Wir müssen improvisieren und … aus einem Bauchgefühl heraus handeln, nicht wahr?«
    »Und das ist gut?«
    »Nein, aber… daran bin ich gewöhnt.«
    Mircea schloss kurz die Augen. »Weißt du, Dulceata, manchmal glaube ich, dass du die beängstigendste Person bist, die ich kenne.«
    Ich blinzelte.

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