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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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warum?«
    »Wahrscheinlich hat es nichts zu bedeuten«, sagte ich und bedauerte, den Mund aufgemacht zu haben. Ich war nicht gerade begeistert angesichts der Vorstellung, Jonas mein kleines Spielzeug zu erklären. Aber er stand da, einen aufmerksamen Blick auf mich gerichtet, und eigentlich blieb mir keine Wahl. »Es ist nur … Ich habe da diese Tarot-Karten und …«
    »Sie haben etwas gesehen?«
    »Nein. Ich meine, ich hatte keine Vision oder so, nichts Magisches …«
    »Verzeihen Sie, meine Liebe, aber Tarot-Karten in den Händen einer Pythia sind Magie. Und ob. Was haben Sie gesehen?«
    »Nun, es sind keine normalen Karten«, erklärte ich umständlich.
    »Und ich habe sie nicht in dem Sinne gelegt. Es kam nur eine Karte zum Vorschein …«
    »Der Mond, nehme ich an?«
    »Der umgekehrte Mond.«
    »Ahhh.« Jonas setzte sich langsam.
    »Wie ich schon sagte, wahrscheinlich bedeutet es überhaupt nichts …«
    »Oh, da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher«, sagte er sanft und sah ins Leere. »Nein, da wäre ich mir ganz und gar nicht sicher.«
    Ich saß einfach nur da und beobachtete Jonas, aber er fügte seinen Worten nichts hinzu. Pritkin versuchte, ihn etwas zu fragen, doch er winkte ab. »Lassen Sie mich nachdenken«, sagte er.
    Ich sah Pritkin hilflos an. Die meiste Zeit über hielt ich Jonas für einen gewieften alten Knaben, der sich mit einer Art Psychospiel vergnügte, dem er alle anderen unterzog. Aber manchmal fragte ich mich ernsthaft, ob die magische Welt von jemandem geleitet wurde, der total durchgedreht war.
    »Es sind nicht einmal richtige Tarot-Karten«, sagte ich.
    Nichts.
    »Sie sind ein Spielzeug. Ich habe sie als Kind bekommen.«
    Stille.
    »Ich wähle die Karten nicht einmal. Sie wählen sich für mich.«
    Genauso gut hätte ich versuchen können, mit der Wand zu reden.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte Pritkin und gab offenbar auf. Er verließ die Küche, und ich schloss mich ihm an, weil es mir bei Jonas zu seltsam wurde.
    »Ich kehre nur kurz in mein Zimmer zurück«, sagte Pritkin, als er merkte, dass ich ihn begleitete. Damit wäre so weit alles in Ordnung gewesen, doch dann drehte er sich um und stolperte auf der Treppe, die vom Wohnzimmer in die Diele führte.
    Er fing sich ab, bevor er mit dem Gesicht auf dem Boden landete, und bei jemand anderem wäre es keine große Sache gewesen. Ich stolperte mindestens einmal pro Tag über dieselbe Stufe. Aber Pritkin war nicht ich, und er neigte nicht zum Stolpern.
    Ich hielt ihn fest, bevor er entwischen konnte, und ich brauchte nicht zu fragen, wo das Problem lag. Blut kam durch den unteren Teil seines T-Shirts und bildete Flecken auf der weichen grauen Baum-wolle. Eigendich überraschte es mich nicht. Zorn stieg in mir auf.
    »Verdammt, Pritkin!«
    »Es ist alles in Ordnung mit mir«, sagte er, was mich keineswegs beruhigte, denn das hätte er auch nach dem Verlust einer Gliedmaße gesagt. Ich ging in die Hocke und hob sein T-Shirt.
    »Alles in Ordnung, wie?«, fragte ich verärgert. Das Blut kam durch einen Verband, der den halben Bauch bedeckte.
    »So gut wie«, erwiderte er und versuchte, das T-Shirt nach unten zu streichen. Ich stieß seine Hände beiseite und machte mich daran, den Verband mit einem Fingernagel anzuheben. Er hatte sich bereits gelockert und musste erneuert werden, und ich wollte sehen …
    Ich spürte einen stählernen Griff am Handgelenk. »Es ist alles in Ordnung«, wiederholte Pritkin. »Bis heute Abend bin ich geheilt, spätestens bis morgen früh.«
    »Und welche Art von Wunde braucht bei dir so lange, um zu heilen?« Ich hatte beobachtet, wie eine tiefe Messerwunde mitten in seiner Brust innerhalb weniger Minuten verschwand.
    »Eine von Elfen angerichtete«, gestand er.
    Ich fluchte und wollte den Verband mit der anderen Hand abnehmen, aber die hielt er ebenfalls fest. Und dann zog er mich auf die Beine. »Du hast gesagt, du wolltest Freunde besuchen!«, warf ich ihm vor.
    »Bekannte.«
    »Kommt es öfter vor, dass deine Bekannten versuchen, dich umzubringen?«
    »Es kann durchaus passieren«, antwortete er lakonisch. Und dann sah er mein Gesicht.
    »Lass mich los«, sagte ich in einem gefährlichen Ton.
    »Damit du mich schlagen kannst?«
    »Damit ich deinen Verband wechseln kann!« Schlagen würde ich ihn später.
    Pritkin ließ mich los, und ich stolzierte davon. Wir hatten kein Arzneischränkchen in der Suite; wir hatten einen ganzen Arzneischrank. Ich wusste nicht, worauf sich die Jungs

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