Verlockend untot
antwortete ich und räumte alles zusammen. »Pritkin möchte uns nun erzählen, was passiert, wenn man einer Gruppe von Panik erfasster Elfen ganz allein in den Wald folgt.«
»Ach ja?«, fragte Jonas neugierig.
Pritkin schloss die Augen, neigte den Kopf zurück und gab sich wie ein Märtyrer. »Es endete damit, dass ich mit dem Kopf nach unten an einem Seil hing, während mich einige Männer aus dem Dorf mit vergifteten Speeren anstießen«, sagte er. »Es gelang mir, sie davon zu überzeugen, dass ich nicht zu ihren Feinden gehörte, aber vorher…«
»Vorher haben sie dich wie ein Schwein aufgeschlitzt?«, fragte ich munter.
Er errötete, öffnete ein Auge und sah mich an. Welche brillante Replik er auch auf Lager hatte, er kam nicht dazu, sie mir zu präsentieren, denn Jonas fragte: »Wer waren diese Feinde?«
»Die Alorestri.« Pritkin setzte sich auf und schnitt eine Grimasse.
»Die Grünen Elfen«, übersetzte Jonas für mich. »Sie haben eine gemeinsame Grenze mit den Dunkelelfen. Seit Jahrtausenden gibt es zwischen ihnen immer wieder Streit um Land, Ressourcen, Jagdrechte und so weiter.«
»Derzeit hat offenbar eine neue Phase des Streits begonnen«, sagte Pritkin. »Nach den Schilderungen der Dorfbewohner haben die Grünen Elfen vor ein paar Tagen die Verteidigungslinie bei der Grenze durchbrochen und die lokalen Streitkräfte der Dunkelelfen überwältigt. Die Fliehenden versuchten, einer Gruppe von Grünen Elfen zu entkommen, von denen es hieß, sie seien in ihre Richtung unterwegs.«
»Es fand eine Invasion statt?«, fragte ich mit neuem Unbehagen.
Ich hatte einen Freund am Hof der Dunkelelfen, und die Vorstellung, dass ihm etwas zustieß, gefiel mir nicht.
Pritkin bemerkte meinen Gesichtsausdruck. »So etwas ist nicht ungewöhnlich«, teilte er mir mit. »Die Armee der Dunkelelfen wird sich sammeln und die Angreifer vermutlich in einigen Wochen zurücktreiben. Doch bis dahin gibt es keine Möglichkeit, meine Kon-taktleute zu erreichen oder auch nur festzustellen, wo sie sich befinden. Und ohne sie können wir nicht herausfinden, was dich angegriffen hat.«
Was mir, ehrlich gesagt, völlig schnuppe war. Ich war dankbar dafür, dass ich Pritkin zurückhatte, wenn auch ein wenig lädiert.
»Vielleicht hat der Angreifer gar nichts mit den Elfen zu tun«, erinnerte ich ihn. »Billy glaubte, Apollos Geist sei zurückgekehrt, um mich heimzusuchen!«
»O nein«, sagte Jonas ernst. »Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.«
»Nun, ich wollte damit nicht sagen …«
»Diese Welt hat den Göttern keine Kraft gegeben, sondern welche von ihnen aufgenommen. Deshalb erzählen alle alten Legenden von Göttern, die die Erde besuchen, aber woanders leben: Asgard, Wanaheim, Olymp. Und wenn sie selbst zu ihren Lebzeiten keine Kraft aus dieser Welt beziehen konnten, dann sollten sie im Tod erst recht nicht dazu imstande sein.«
»Ja, gut, wie ich schon sagte …«
»Nein, ich glaube, die Götter, mit denen wir es zu tun haben, sind noch am Leben.«
»Jonas, bitte!« Ich sah ihn ungeduldig an. »Das ist nicht die verdammte Ragnarök, klar?«
»Es würde mich freuen, wenn das nicht der Fall wäre«, sagte er sanft und im Tonfall eines Mannes, der mitten im strömenden Regen steht und meint, dass es nett wäre, wenn es nicht regnen würde.
Ich wollte antworten, aber der Kessel pfiff ziemlich laut, und so kehrten wir in die Küche zurück. Jonas machte Tee, und ich wartete auf eine Art Erklärung, vorzugsweise eine vernünftige, gab mich aber keinen großen Hoffnungen hin. Deshalb war es eine ziemliche Überraschung für mich, als Jonas plötzlich recht forsch am Tisch Platz nahm.
»Drei Kinder von Loki, drei Götter, die es zu überwältigen gilt«, eröffnete er uns. »Apollo ist bereits erledigt, und so bleiben noch zwei. Das Problem: Wir wissen nicht, welcher von ihnen sich als nächster gegen uns wendet. Aber ich glaube, Ihre Tarot-Karten könnten uns dabei helfen, Cassie. Sie sind eine wertvolle Hilfe, und gleichzeitig stellen sie uns vor eine große Herausforderung.«
»Jonas …«
Er klopfte mir auf die Hand. »Ich bin fast fertig. Nun, ich glaube, dass Hei, Lokis zweites Kind, ein anderer Name für Artemis sein könnte. Sie war nicht nur eine jungfräuliche Göttin mit dem Mond als Symbol, sondern wurde auch mit der Jagd in Verbindung gebracht. Nicht persönlich, sondern über die sogenannten Mond-hunde, die sie sich jedes Jahr für die Wilde Jagd von Odin auslieh.«
»Na schön«, sagte ich
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