Verlockende Angst
raubte mir den Atem und versetzte mein Herz in Raserei.
Ein Kuss war nichts Besonderes, also hätte auch dieser nichts Besonderes sein sollen. Aber bei den Göttern, so war ich noch nie geküsst worden!
Ich schlang ihm die Arme um den Hals, vergrub die Finger in seinem Haar und erwiderte seinen Kuss, küsste ihn mit der gleichen wilden Hingabe, mit der er sich dem Kuss hingab. Und Götter, es gefiel mir, Seth zu küssen!
Er war wirklich gut.
Seth zog sich gerade so weit zurück, dass ich Luft bekam, und knabberte an meiner Unterlippe. » Sag nicht, es hätte dir nicht gefallen! « Wieder legte er die Lippen auf meinen Mund und sog die stumme Antwort auf. » Und wag nur nicht zu behaupten, du hättest mich nicht zurückgeküsst! «
Ich legte ihm die Hände auf die Brust. Wenn ich die Augen öffnete, würde ich sicherlich die Zeichen entdecken. » Ich… ich habe keine Ahnung, was… «
Schmunzelnd strich er mit dem Mund über meine Lippen. » Du hast die Wahl, Alex. «
Da öffnete ich die Augen. Die Zeichen auf seinem Gesicht waren nur schwach zu erkennen. Dennoch empfand ich das wilde Bedürfnis, sie mit den Fingern nachzufahren. Es kostete mich meine ganze Beherrschung, es nicht zu tun. Unsere Blicke trafen sich. » Welche Wahl? «
Seine Hände wanderten zu meinen Schultern und dann weiter zu meinen Hüften. Sie gruben sich in den durchnässten Stoff und hielten mich fest. » Du kannst dich entscheiden, ob du weiter nach einem Mann lechzen willst, den du niemals bekommst. «
Ich schluckte. » Oder? «
Er lächelte. » Oder du kannst dich dagegen entscheiden. «
» Seth, ich… «
» Hör mal, ich weiß, dass du noch nicht über ihn hinweg bist « , erklärte er und sprach das ihn aus wie eine Geschlechtskrankheit. » Aber ich weiß, dass du mich gern magst. Ich schlage gar nichts vor, verlange keine dummen kleinen Versprechungen, habe keine Erwartungen. «
Ich atmete ganz flach. » Und was willst du? «
» Du entscheidest dich dafür, alles auf dich zukommen zu lassen. « Seth ließ mein Kleid los, trat zurück und fuhr sich mit den Händen durch das nasse Haar. » Du und ich– du entscheidest dich für uns. «
Ich sollte mich für uns entscheiden? Zitternd verschränkte ich die Arme vor der Brust. Welche Möglichkeiten blieben mir? Aiden war vollkommen tabu und Seth und ich klebten zwangsweise aneinander. Allerdings verbrachten wir keinen Tag, ohne dass wir uns am liebsten die Köpfe eingeschlagen hätten. Das schien mir keine besonders tolle Auswahl zu sein.
Seth lächelte zurückhaltend. » Denk wenigstens darüber nach! « Er wandte sich um und kehrte zu der Stelle zurück, an der er seine Kleidung abgelegt hatte.
Ich ließ mich seufzend gegen die Wand sinken. Seth war ein paarmal richtig nett zu mir gewesen. Er hatte mir nach Calebs Tod beigestanden, hatte mich gegen den Meister verteidigt. Auf der anderen Seite gab es Aiden, meine Gefühle für ihn– und den Blick, mit dem er mich im Ballsaal angesehen hatte.
Aber mit Aiden entschied ich mich für das Nichts.
Wenn ich Seth wählte, dann ergab ich mich einem völlig schrägen Schicksal.
Oder?
Mein Blick fiel auf meine Hand. Die Rune auf der Handfläche leuchtete in schimmerndem Blau, als würden ihr Seths Vorschläge gefallen. Und so schlecht klangen sie gar nicht. Keine Versprechungen. Keine Erwartungen. Keine Gefühle. Und das war gut, weil mein Herz… mein Herz anderswo war. Bald würde ich nach Hause nach North Carolina fahren, wo es keinen Caleb geben würde, keine Halbblüter, die etwas mit mir zu tun haben wollten, und keinen Aiden mehr.
Aber Seth war da.
Ich stieß mich von der Wand ab. Seth wandte mir den Rücken zu und hielt den Kopf gesenkt. Wastat ich hier? Ich blieb hinter ihm stehen. Das Herz schlug mir bis zum Hals. » Seth? «
Er schloss gerade die letzten Knöpfe seines Hemds. » Alex? «
» Ich… ich entscheide mich für dich… oder was immer du meinst. « Ich errötete. Götter, wie klang ich bescheuert! » Ich meine, ich wähle das Ganze hinsichtlich… sehen, was daraus wird … «
Mit den Lippen erstickte er meine Worte. Seine Arme schlossen sich um mich und er legte mir etwas Warmes, Trockenes über die Schultern. Mir wurde klar, dass es die Jacke seines Smokings war. Aber dann dachte ich nur noch, wie warm er sich anfühlte. Bevor ich wusste, wie mir geschah, klammerte ich mich an sein Hemd, schmiegte mich an ihn und sog seine Wärme auf.
Und dann spürte ich es erwachen wie einen schlummernden Riesen und
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