Verlockende Angst
mal! Ich will… «
Doch Aiden hatte sich schon abgewandt und verschwand in der Menge. Seth ergriff meine Hand und zog mich aus der Halle. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, womit ich rechnen musste. Im Covenant gab es Gerüchte über den Trank, und man erzählte sich, dass Lea ihn angeblich konsumierte. Ich hatte jedoch noch nie jemanden erlebt, der unter seinem Einfluss stand.
Seth sagte nichts, während wir durch die Flure und nach oben gingen. Mehrere Treppen später fühlte ich mich immer noch gut. » Mir geht es wirklich prima. Alles in Ordnung bei mir. Ich bin sicher, dass ich in mein Zimmer gehen kann. Ich bleibe auch dort, versprochen. «
Seth zog mich den Gang entlang.
» Hör mal, wieso sprichst du nicht mit mir? Besonders nach gestern Abend… «
Über die Schulter warf er mir einen ungehaltenen Blick zu. » Das hat jetzt nichts mit gestern Abend zu tun. «
Seine Hand, die mich festhielt, fühlte sich unglaublich weich an. » Bist du sauer auf mich? «
» Ich bin nicht sauer auf dich, Alex. Aber im Moment bin ich ziemlich angefressen. Besser, ich rede nicht. Sonst brenne ich noch das Gebäude nieder. « Er ließ meine Hand los, stieß seine Zimmertür auf und scheuchte mich mit einer Handbewegung vorwärts. » Hinein! «
Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Wirklich, die beiden hängten die Sache höher, als sie… » Was zum Teufel…? «
Seth trat die Tür hinter sich zu. » Was? «
» Wieso hast du dieses tolle Zimmer gekriegt? « Ich drehte mich im Kreis und bestaunte die Kathedralendecke, die dicken Teppiche und einen Großbildfernseher, der die halbe Wand einnahm. Und das Bett, so groß wie ein Schiff! Kurzzeitig vergaß ich meine aktuelle Zwangslage. » Im Vergleich dazu habe ich in einem Wandschrank geschlafen. Das ist fies. «
Er ließ seinen Schlüssel auf eine Kommode fallen. » Ich bin der Apollyon. «
» Ja und? Das bin ich auch und mein Zimmer ist so groß wie eine Streichholzschachtel. Ein Sarg wäre größer gewesen. «
» Noch bist du kein Apollyon. «
Darauf beschränkte sich unser Gespräch ein paar Minuten lang. Ich sah zu, wie er im Zimmer umherging und schließlich ans Fenster trat. Dort blieb er stehen.
» Was tust du da? «
Seth stützte sich auf die Fensterbank und sah nach draußen, was immer er dort sehen mochte. Einige Haarsträhnen hatten sich aus dem Stirnband gelöst und verdeckten sein Gesicht. » Tu, was du willst! Fühl dich wie zu Hause! Sieh fern oder geh schlafen! «
Mir riss der Geduldsfaden. » Du bist ein Schwachkopf. «
Er gab keine Antwort.
Ich trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und wünschte, ich hätte unter dem Kapuzenpullover ein Shirt angezogen. Die Luft im Zimmer war fast unerträglich drückend. Ich ging zum Bett, um mich zu setzen, blieb aber stehen. Eine eigenartige Empfindung kroch am Rückgrat herauf. Auf unglaubliche Weise fühlte ich mich anders als sonst. Ich erlebte einen unfassbaren Ansturm von… Glück. Ja. Wie Wogen von Sonnenschein, und alles war gut.
Plötzlich schien alles okay zu sein– sogar großartig.
Seth wandte sich vom Fenster ab und sah mich durchdringend an. » Alex? «
Langsam wandte ich mich um. Das Zimmer wirkte heller, weich, wunderschön. Alles sah schön aus. Vielleicht seufzte ich sogar.
» O Götter! « , stöhnte Seth. » Es fängt an. «
» Was fängt an? « Ich erkannte meine eigene Stimme kaum wieder.
Seth musterte mich besorgt. Ich fand, er sah komisch aus, also lachte ich, und es war, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Ich wollte rennen und tanzen und singen… Dabei konnte ich gar nicht singen. Aber ich wollte… ich wollte… etwas von ihm.
Er legte seine lässige Haltung ab und seine Miene wurde hart. » Setz dich, Alex! «
Ich legte den Kopf in den Nacken, aber er fiel wie von selbst wieder nach vorn. Es war schön, das Gewicht meines Haars zu spüren, das ins Leere hing, einfach nur hinunterhing. Es fühlte sich schwer an meinem Hals an.
» Ernsthaft, setz dich hin! «
» Warum? « Ich hob den Kopf und schwankte ein wenig. Meine Haut prickelte überall wie von kleinen elektrischen Schlägen. Wie damals, als Aiden mich berührt oder als Seth mich gestern Abend geküsst hatte. Das hatte mir auch gefallen, aber Aidens Küsse waren mir lieber gewesen. Seths Berührungen riefen ein anderes Gefühl hervor. Götter, mein Hirn kam einfach nicht zur Ruhe! Es dachte einfach immer weiter.
Seth löste sich vom Fenster. » Du machst dich lächerlich, Alex.
Weitere Kostenlose Bücher