Verlockende Angst
Laadan zum Eingang der Empfangshalle glitt. Ich ging ihr nach und warf einen Blick über die Menge, während ich das Glas an die Lippen setzte. Ich sah Marcus und Diana ganz dicht beieinander stehen. Einmal mehr verwirrte mich Marcus’ Lächeln. So lächelte er nie, vor allem nicht in meiner Nähe.
Lautes Gekicher erhob sich im Raum und weckte meine Aufmerksamkeit. Reinblütige junge Mädchen umstanden einen gut aussehenden Mann. Sie überschrien einander und jede wollte ihm am nächsten sein. Hinter dem fröhlichen Grüppchen standen mehrere Gardisten und wirkten gleichermaßen gelangweilt wie distanziert. Zu ihnen gehörte auch der reinblütige Gardist, den Telly während jener ersten Sitzung gerufen hatte. Ich erschauerte und umfasste mein Glas fester. Dann huschte mein Blick weiter in die Halle hinein und verharrte bei Aiden.
Dawn stand neben ihm und sah überwältigend schön aus. Sie betrachtete ihn mit großen amethystblauen Augen. Beim Anblick der beiden wurde mir nicht gerade warm ums Herz. Über Freundlichkeit hinaus hatte er ihr gegenüber noch nie einen Funken Interesse gezeigt. Aber sie war eines der Mädchen, mit denen er sich treffen durfte– die er treffen sollte.
Vielleicht würde er sie eines Tages heiraten– oder ein anderes reinblütiges Mädchen wie Dawn. Er würde sesshaft werden und Verantwortung übernehmen. Aufhören!, befahl ich mir. Darauf kam es nicht an– nicht einmal dann, wenn er ein Dutzend reinblütiger Babys zeugte. Ich hatte kapiert, dass ich nicht mit ihm zusammen sein konnte. Außerdem hatte ich mich irgendwie für Seth entschieden. Aber der Schmerz drang tief in meine Brust und schlug rings um mein Herz Wurzeln. Dafür, wie ich dastand und ihn anstarrte wie eine besessene Stalkerin, hätte ich einen ordentlichen Tritt ins Hinterteil verdient gehabt.
» Dein Drink, Liebes! Willst du ihn nicht probieren? «
» Oh! « Ich sah auf meine Hand, die das Glas hielt. Es fühlte sich immer noch wunderbar warm an. Das Getränk brannte auf meinen Lippen und meiner Zungenspitze, rann mir aber erstaunlich angenehm durch die Kehle. Tatsächlich schmeckte es pfefferminzartig– nach warmem Wintergrün. » Es schmeckt… «
Laadan war verschwunden.
Verblüfft über ihr plötzliches Verschwinden sah ich mich im Saal um, aber statt auf Laadan fiel mein Blick auf Aiden. Er hatte den Platz gewechselt und stand jetzt ohne Dawn am Ende der Halle. Obwohl er sich mit einem anderen Reinblüter unterhielt, schien er sich auf mich zu konzentrieren.
Seine Missbilligung strahlte bis zu mir herüber und traf mich wie ein Schlag. War er wütend, dass ich mein Zimmer verlassen hatte? Wenn, dann ärgerte mich das. Außerdem verdross mich das Flattern in meiner Brust.
Aiden löste sich von dem Reinblüter, trat nach vorn und wirkte sehr, sehr zornig. Der Herzschlag beschleunigte sich. Er kam auf mich zu– nicht auf Dawn, auf keinen anderen Reinblüter, sondern auf mich. Das Flattern in meiner Brust wurde stärker.
Jede Art von Aufmerksamkeit war eine gute Aufmerksamkeit.
Plötzlich hasste ich diesen Gedanken, hasste den Umstand, dass ich mich mit so wenig zufriedengab. Ich neigte das Glas und nahm einen großen Schluck. Entweder ich trank oder ich warf mich schluchzend zu Boden und schlug um mich.
Ich trank noch einen Schluck und rechnete damit, dass es brannte. Es schmeckte gut, wirklich gut. Ich blickte noch einmal auf und stellte fest, dass ein großer blonder Reinblüter Aiden teilweise die Sicht nahm, aber sein wütender Blick erreichte mich trotzdem. Ich sah ihn mit hochgezogenen Brauen an, setzte das Glas wieder an die Lippen und nippte noch einmal.
Aiden umging den Reinblüter und steuerte geradewegs auf mich zu.
Aus dem Nichts heraus– und ich meine aus dem verdammten Nichts– tauchte Seth auf und schlug mir den Drink so heftig aus der Hand, dass mir rote Tropfen über den Pullover spritzten.
» Herrje! « Ich fuhr mir mit der Hand über den Mund. » War das nötig? «
Seth hielt sich das Glas vors Gesicht und roch daran. Halblaut fluchend hielt er es Aiden hin. » Wer hat dir das gegeben? « , verlangte Seth zu wissen.
» Warum interessiert dich das? Es ist nur ein Drink. «
» Wer hat dir diesen Drink gegeben, Alex? « Aidens ruhige Stimme ließ keine patzige Antwort zu.
» Laadan. Was ist daran so besonders? «
Seth war einen Augenblick lang sprachlos. Aidens Reaktion hingegen fiel umso heftiger aus. » Mist! Unglaublich! «
» Was? « Ich sah zwischen den beiden hin und
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