Verlockende Angst
lästerte Aiden, ich sei noch nie so schnell gerannt.
Als wir endlich die Essensstände hinter uns gelassen hatten und in den eigentlichen Park kamen, war ich vor Aufregung völlig aus dem Häuschen. Die leichte Brise trug die merkwürdig verlockenden Gerüche nach Menschen und Tieren heran. Die Sonne brach durch das dichte Laubdach des Zoos und schuf kleine warme Inseln, während wir uns weiter an den Attraktionen vorbeidrängten.
Wahrscheinlich sah ich bescheuert aus, wie ich die Wege entlanghüpfte und jeden angrinste, dem wir begegneten. Ich war einfach nur glücklich, wieder draußen in der Welt zu sein– noch dazu mit Aiden. Und es war äußerst unterhaltsam zu beobachten, wie die Sterblichen auf ihn reagierten. Es mochte an seiner beunruhigenden Körpergröße und seinem gottähnlichen Aussehen liegen, dass Männer und Frauen wie angewurzelt stehen blieben und ihn anstarrten. Oder es lag an seinem tiefen, volltönenden Lachen, bei dem er den Kopf in den Nacken legte. So oder so war es spannend zu sehen, wie er sich größte Mühe gab, nicht auf die Gaffer zu achten.
» Du mischst dich nicht allzu oft unter die Eingeborenen, oder? « , fragte ich, als wir auf die Waldlichtung traten und einen Gorilla beobachteten, der auf einem Felsen saß und sich lauste. Geistig sehr anregend hier.
Aiden lachte leise. » Ist das so offensichtlich? «
» Ziemlich. «
Er rückte näher an mich heran und senkte die Stimme. » Ich habe Angst vor Sterblichen. «
» Was? « Ungläubig lachte ich.
Er lächelte über meine Miene und stieß mich mit seiner Hüfte an. » Ja. Sie sind unberechenbare Wesen. Ich weiß nie, ob sie mich umarmen oder erstechen wollen. Sie werden von Emotionen beherrscht. «
» Und wir nicht? «
Darüber schien Aiden nachzudenken. » Nein. Sie… ich meine, uns lehrt man, unsere Gefühle zu unterdrücken, uns bei unseren Entscheidungen nicht von ihnen leiten zu lassen. In unserer Welt– unser beider Welten– kommt es nur auf Logik und das Weiterbestehen unserer Völker an. Das weißt du doch. «
Ich warf ihm einen Blick zu, und mir fiel auf, wie entspannt seine stolzen Züge wirkten. In solchen Momenten sah er jünger und sorglos aus. So gefiel er mir– mit seinen Augen voller Licht und Lachen und seinem ausdrucksvollen Mund. Als ich ihn so musterte, konnte ich kaum glauben, dass er weit gefährlicher war als jedes Tier im Zoo.
» Aber du scheinst dich unter ihnen wohlzufühlen. « Mit einer Kopfbewegung wies er auf eine Gruppe am anderen Ende des Geheges, wo ein Elternpaar mit zwei Kindern stand. Das kleine Mädchen reichte seinem Bruder ein angeknabbertes Eishörnchen. » Du hast mehr Erfahrung im Umgang mit ihnen als ich. «
Ich nickte und wandte mich wieder dem Käfig zu. Ein weiteres haariges Ungetüm näherte sich dem Gorilla, der auf dem Felsen saß. Vielleicht würde ja etwas Interessantes passieren. » Ich habe mich eingefügt, aber so richtig habe ich nie dazugehört. Sie spüren, dass mit uns etwas nicht stimmt. Deswegen kommt uns niemand allzu nahe. «
» Ich kann mir unmöglich vorstellen, dass du dich einfügst. «
» Warum? Ich finde, ich habe es verdammt gut geschafft, drei Jahre lang unentdeckt zu bleiben. «
» Ich kann das einfach nicht. Niemand ist wie du, Alex. «
Ich lächelte. » Das deute ich jetzt als Kompliment. «
» So war es auch gemeint. « Wieder stieß er mich an, und mein Lächeln wurde breit und albern– ähnlich wie Caleb Olivia angrinste, wenn sie sich nicht gerade gegenseitig den Kopf abrissen. » Du bist unglaublich intelligent, Alex. Witzig und… «
» Hübsch? « , fiel ich nur halb im Ernst ein.
» Nein, nicht hübsch. «
» Niedlich? «
» Nein. «
Ich runzelte die Stirn. » Na gut. «
Aidens Lachen jagte mir Schauer über den Rücken. » Atemberaubend, wollte ich sagen. Du bist atemberaubend schön «
Scharf sog ich die Luft ein und meine Wangen wurden heiß. Ich legte den Kopf zurück, und wir sahen uns in die Augen. Irgendwie war mir gar nicht klar gewesen, dass wir so nahe beieinanderstanden. Und Aiden war mir nahe. So nahe, dass ich seinen warmen Atem auf der Wange spürte. Mein Puls raste.
» Oh « , flüsterte ich. Nicht gerade die schlagfertigste Antwort, aber eine bessere fiel mir nicht ein.
» Also, was ist jetzt mit dir und Zoos? « Aiden reckte die Arme über den Kopf.
Mir entfuhr ein zittriger Seufzer und ich blickte wieder zu der Familie mit dem kleinen Mädchen hinüber. Sie hatte die allersüßesten Rattenschwänze der
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