Verlockende Angst
grauen Augen eine silbrige Färbung an. Vermutlich wurde ihm klar, dass ich durchaus wissen konnte, ob sein Körper irgendwo ein Tattoo versteckt hatte.
» Tut mir leid « , flüsterte ich.
» Ist schon okay. « Aiden trat zurück. Sein Blick streifte meine Lippen und er wandte sich dann wieder ab.
Das heiße Gefühl, das in diesem kurzen Augenblick zwischen uns aufflammte, hätte das ganze verdammte Gebäude in Brand stecken können. Eine tiefe und mächtige Sehnsucht erwachte zum Leben. Ich grub die Finger in meine Haut, doch mein Wunsch, ihm nahe zu sein und in seinen Armen zu liegen, ließ nicht nach. Und ich glaubte, den gleichen Ausdruck auf seinem Gesicht zu erkennen.
Ich schloss die Augen und ertrug es, dass unerträgliches Begehren mein Herz in Stücke riss. Als ich sie wieder aufschlug, war Aiden verschwunden. Ich presste die Lippen aufeinander und stieg die Dienstbotentreppe hinauf, weil ich mir sicher war, dass Aiden die Haupttreppe genommen hatte. Ich wollte mich nicht dicht neben ihm in einem Treppenhaus aufhalten. Meine überhitzte Fantasie spiegelte mir Szenen vor, die niemals wahr werden durften. Als ich den fünften Treppenabsatz erreichte, stieß ich fast mit einem Diener zusammen. Er kam aus der Tür, die zu meinem Stockwerk führte.
» Entschuldigung! Ich hätte… «
Der Halbblüter, den ich am ersten Tag beobachtet hatte und dessen Augen mir so bekannt vorgekommen waren, musterte mich mit unglaublich wachem Blick. Eine Sekunde verging, dann senkte er den Kopf und eilte an mir vorüber. Ich fuhr herum und umfasste das Geländer. » Hey! «
Er blieb stehen.
Ich stieg eine Stufe hinunter. » Kenne ich Sie von irgendwo her? «
Keine Antwort.
» Ich weiß genau, dass Sie alle sprechen können– besonders Sie. « Vorsichtig nahm ich eine weitere Stufe nach unten. Forschend sah er mir ins Gesicht, sagte aber immer noch nichts. Ich holte tief Luft. » Ihre Augen sind nicht glasig… wie bei den meisten anderen Dienstboten. «
Er wandte den Kopf zur Seite und stieg eine Stufe höher.
Ich hob die Hände. Mein Herz klopfte zum Zerspringen. » Ich verrate nichts. Ich bin total auf der Seite der Halbblüter. Gibt es noch andere wie Sie? Andere, die nicht völlig unter Drogen stehen? «
Wahrscheinlich nicht die beste Wortwahl, doch er nickte.
Darüber dachte ich nach und musterte sein Gesicht. Vielleicht hatte er gut ausgesehen, bevor ihn das Leben eines Dienstboten ereilt hatte. Aber ich kehrte immer wieder zu seinen Augen zurück. Sie hatten so ein warmes Braun. » Warum reden Sie nicht mit mir? « Ich zog eine Grimasse. » Warum redet keiner von Ihnen mit mir? «
Seine Hand umklammerte das Geländer so krampfhaft, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
» Okay. Egal. « Ich schluckte vor Aufregung. » Sie kommen mir bekannt vor. «
Das schien der falsche Satz gewesen zu sein, denn er wich zurück.
» Warten Sie– warten Sie nur eine Sekunde! « Wieder blieb er stehen und beobachtete mich, die Lippen zu einem schmalen Strich aufeinandergepresst. » Wie heißen Sie? «
Die Tür öffnete sich, und Marcus’ Stimme war zu hören. » Alex, bist du im Treppenhaus? «
Der Diener fuhr zusammen und eilte die Treppe hinunter. Mit einem enttäuschten Seufzer stieg ich die letzten Stufen hinauf. » Ja, ich bin’s. «
» Mit wem redest du? «
Ich schüttelte den Kopf und drückte mich an ihm vorbei. » Mit niemandem. «
17. Kapitel
R otes Fleisch und Politik vertrugen sich nicht.
» Vieles hat sich verändert, Marcus, aber in mancher Hinsicht auch nicht. « Lucian drehte ein Glas Wein zwischen seinen eleganten Fingern. » Minister Tellys Standpunkt bezüglich Trennung und Integration gewinnt an Boden. «
» Aber nur weil er glaubt, dass die Götter unter uns wandeln. « Marcus beugte sich vor und sprach leise. » Telly ist ein Fanatiker und war es schon immer. «
Lucian nippte an seinem Wein. » Ich bin Ihrer Meinung, aber leider nicht alle. «
» Es wäre zu begrüßen, wenn die meisten sich über seinen Irrtum im Klaren wären. « Laadan saß mir gegenüber. Ihr Haar war zu einer komplizierten Frisur aufgesteckt und ihr seidiges hellblaues Kleid war zum Niederknien schön. » Wir stehen kurz vor Veränderungen. Auch die Fortpflanzungsgesetze müssen geändert werden. «
Ich schnitt mein Steak an und beobachtete, wie der Fleischsaft herausrann. Es war ätzend, hier zu sitzen und zu wissen, dass ich mich nicht äußern sollte. Ich stellte mir nur vor, wie Seth geredet hätte, wäre er
Weitere Kostenlose Bücher