Verlockende Versuchung
wenn ich deren Kinder unterrichten will oder als Gesellschafterin bei einer älteren reichen Dame arbeite, muss ich mich richtig verhalten können ... «
»Ihr hättet die richtige Haltung, wenn Ihr Euch zur Abwechslung einmal aufrecht hinsetzen würdet.«
»Es ist nicht nur das.« Devon zeigte mit einem Finger auf die Erdkugel und die Folianten, die auf dem Tisch ausgebreitet lagen. Gleichzeitig verdüsterten sich ihre Gesichtszüge. »Es ist alles. Ich kann nicht nähen, wie zum Teufel soll ich dann sticken lernen? Einmal habe ich meiner Mutter bei einem Kleid geholfen und habe aus Versehen die Ärmel zusammengenäht. Ich werde auch nie das Zeichnen beherrschen, es hat gar keinen Sinn, es erst zu versuchen - wahrscheinlich werde ich mit meinen stümperhaften Bemühungen für den frühzeitigen Tod Eurer armen Schwester verantwortlich sein! Auch Französisch werde ich nie sprechen können, schließlich bin ich immer noch dabei, mir unsere Muttersprache richtig anzueignen. « Ihre Stimme wurde leiser, doch dann fuhr sie tapfer fort: »Ich glaube nicht, dass ich das kann, Sebastian. Ich dachte, es wäre möglich, aber es gibt so viel zu lernen ... «
»Devon, schsch! «
»Sebastian, ich ... «
»Schsch.«
Devons liebliche Lippen zitterten, und Sebastians Herz krampfte sich zusammen.
»Hört mir zu, Devon«, sagte er zärtlich, »und zwar genau. Ich bin wahrlich erstaunt darüber, wie schnell Ihr Fortschritte macht. Es ist äußerst bemerkenswert.«
Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. »Ihr sagt das nur so. «
»Nein«, Widersprach er hartnäckig. » Das tue ich nicht. Ich denke nur, dass Ihr Euch einfach ein wenig überfordert fühlt. Überraschen würde mich das nicht. Ihr habt ein so großes Maß an Wissen in derart kurzer Zeit aufgenommen. Wie lange ist es nun her? Etwas über einen Monat, seitdem wir mit dem Unterricht begonnen haben? Sicherlich nicht länger. «
Mit den Fingerspitzen fuhr Sebastian behutsam die beiden Linien nach, die sich zwischen Devons fein geschwungenen Augenbrauen gebildet hatten. »Nun«, meinte er schließlich. »Habe ich Euch ein wenig aufgemuntert?«
Ihre Augen blickten tief in seine Seele, um zu überprüfen, ob er auch die Wahrheit sprach. Devon schien zufrieden zu sein, denn schließlich nickte sie bedächtig. »Ja, das habt Ihr.« Obwohl sie die Lippen zu einem dünnen Lächeln kräuselte, war ihr Tonfall feierlich. »Das tut Ihr immer.«
Sebastian verschlug es den Atem. Er wollte sie küssen - fest und leidenschaftlich, doch dann besann er sich eines Besseren. Sie sollte auf keinen Fall annehmen, dass seine einzige Absicht darin bestand, sich leichtfertig mit ihr zu amüsieren.
Langsam ließ er die Augen von ihr zum Globus und wieder zurück gleiten. Sebastian hatte die Welt bereist, war in Ägypten auf Kamelen geritten und hatte in Indien Elefanten gesehen. Erst gestern hatte er ihr all die Orte gezeigt, die er aufgesucht hatte.
St. Giles war die einzige Welt, die Devon j emals kennen gelernt hatte.
Mein Gott, dachte er, ihr Leben dort war die Hölle auf Erden.
»Setzt Euch aufrecht hin und atmet tief und kräftig durch, meine Liebe. Denn ich weiß etwas, das Eure Laune auf der Stelle aufheitern wird.«
Er führte sie zur Eingangshalle, wo er nach ihren Mänteln und der Kutsche verlangte.
»Sebastian ! «, murmelte Devon. »Was habt Ihr vor? «
»Wir machen einen Ausflug«, kündigte er an.
I hre Augen weiteten sich. » Einen Ausflug ! Wohin? «
Er griff nach ihrem Arm und hakte sie bei sich unter. » I n eine Welt, die Ihr noch nie gesehen habt, . «
Die Kutsche rollte hinaus aufs Land, wo die Luft warm und süß war und der Himmel strahlend blau. Devon hatte die Nase an die Scheibe gedrückt, so sehr war sie von der Landschaft verzaubert, die draußen an ihnen vorüberzog. Sebastian hingegen saß neben Devon und war völlig von ihr berauscht.
In einem kleinen, malerischen Dorf außerhalb von London nahmen sie das Abendessen in einem entzückenden Gasthof ein. Genüsslich nahm Devon das köstliche Mahl ein, und ihre Lebensgeister wurden wiedererweckt. Devon war lebhaft und sprudelte vor Übermut, sodass Sebastian froh war, sie an diesem Tag fortgebracht zu haben. Der Ortswechsel war genau das Richtige für sie, und nach einer solch langen Zeit In beengten Verhältnissen dringend nötig gewesen.
Als sie zurück in die Stadt kamen, war es bereits dunkel. Sobald sie den Grosvenor Square erreichten, reckte Devon den Hals, um das eindrucksvolle Haus am
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