Verlockendes Dunkel
komisch! Welterschütternd ja wohl eher. »Hallo, Lissa.«
Kapitel Zwei
H atte irgendjemand etwas mitbekommen? Wusste jemand was? Ein solches Ereignis müsste eigentlich von einem Donnerschlag begleitet werden und die Erde sich wie wild um ihre Achse drehen. Aber nichts geschah. Gordon blieb bei seinen Karten spielenden Freunden; Tante Fitz und Tante Pheeney plauderten mit dem Vikar und seiner Frau, und die anderen Gäste waren auch weiterhin mit ihren eigenen Amüsements beschäftigt. Alles war so, wie es einen Moment zuvor gewesen war, als sie sich der Katastrophe, die in ihrer Mitte lauerte, zum Glück noch nicht bewusst gewesen war. Doch jetzt bräuchte es nur ein neugieriges Familienmitglied oder einen lästigen Gratulanten, um vergangene traurige Berühmtheit in neue Anschuldigungen, Anspielungen und Spekulationen zu verwandeln.
Miss Elisabeth Fitzgerald: von der sitzen gelassenen alten Jungfer im Bruchteil von Sekunden zu einer jungen Frau mit einem Überschuss an Bräutigamen.
»Sie entschuldigen mich … Sir.« Das Pochen hinter ihren Augen nahm zu, bis ihr Kopf schmerzte und ihre Beine so stark zitterten, dass sie kaum noch laufen konnte.
Aber statt sie in Würde gehen zu lassen, begleitete Brendan Douglas sie in die Eingangshalle. Und dort fand sich ihre Hand dann irgendwie in seiner wieder. Der feste Druck und die schwielige Innenfläche seiner Hand standen in seltsamem Kontrast zu seinem eleganten Äußeren, als er sie zu einem kleinen Salon hinüberführte.
An der Tür drehte er sich um, um sie zu schließen, und Elisabeth konnte sehen, wie straff sein Rock sich über seinen breiten Schultern spannte. Und als er sich ihr wieder zuwandte, bemerkte sie zum ersten Mal einen rasch vernähten Saum und eine abgetragene Manschette. Er war also eher geschickt zusammengeflickt als elegant und hatte sich keineswegs so sehr verändert, wie sie zunächst angenommen hatte.
»Was hast du mit dir angestellt?«, fragte sie.
Dies hätte wahrscheinlich nicht ihre erste Frage sein sollen, doch es war alles, was sie herausbrachte, als sie ihr Leben blitzartig vor ihren Augen vorüberziehen sah.
»Das?« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als streifte er eine Maske ab, und ein Kribbeln in der Luft bewirkte, dass sich ihr die Härchen an den Armen und im Nacken sträubten. Sofort begannen seine Züge zu flimmern und zu verschwimmen, bevor sie sich jäh wieder schärften. »Nur ein kleiner fith-fath -Zauber, um nicht erkannt zu werden. Weil ich sonst bestimmt nicht mit offenen Armen wieder aufgenommen worden wäre.«
»Lass das!«, fauchte sie.
Sooft sie sich auch sagte, dass nichts Schlimmes an den magischen Kräften der Anderen war, schreckte sie doch immer noch vor dem beiläufigen Gebrauch einer Magie zurück, die wie etwas aus einem Märchen zu sein schien. Ihre Großmutter war eine Andere gewesen. Elisabeth hatte sie als verträumte alte Dame in Erinnerung, die jeden wachen Moment in ihren Gärten verbrachte, wo sie über die Wege schlenderte und zu Blumen und Bäumen sprach, als begrüßte sie gute alte Freunde.
Die Nachbarn hatten sie als verrückt bezeichnet, doch Elisabeth hatte es besser gewusst, auch wenn sie den Mund gehalten hatte. Niemand durfte wissen, was die alte Dame wirklich war. Es war besser, für exzentrisch gehalten zu werden als für eine Magierin. Und obwohl Elisabeth nichts von den magischen Kräften ihrer Großmutter geerbt hatte, war sie in dem Wissen erzogen worden, dass es neben der normalen Welt der Duinedon oder Sterblichen, in der sie lebte, noch eine andere gab. Eine gefährliche, schöne, erstaunliche Welt, in der alles möglich sein konnte und das Leben größere Wunder, aber auch schlimmere Übel enthielt, als sie sich vorstellen konnte.
Brendan grinste. »Ich hatte schon vergessen, wie sehr du Magie fürchtest.«
»Ich fürchte sie nicht.«
Sichtlich ungläubig zog er die Brauen hoch. »Dann bist du also nur neidisch?«
»Ich bin auch nicht neidisch. Ich pfeife auf deine lächerliche …«
Er grinste noch breiter. Oh, wenn sie doch nur dieses irritierende Lächeln von seinem verwirrenden Gesicht wegwischen könnte! Ein Gesicht, das selbst ungetarnt kaum wiederzuerkennen war. Der Brendan aus ihren Erinnerungen war ein schlaksiger, etwas linkischer Bücherwurm mit Händen voller Tintenflecke und mädchenhaft hübschen Zügen unter einer dichten Mähne dunkelbraunen Haares gewesen, das immer einen Haarschnitt hätte brauchen können. Brillant, ungeduldig,
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