Verlockendes Dunkel
Atem aus der Lunge presste. Aber das könnte natürlich auch ihr Mieder sein. Schwer zu sagen …
Sie gab ein Tröpfchen Parfum hinter jedes Ohr und an ihren Halsansatz und steckte eine widerspenstige Haarsträhne fest, die sich gelöst hatte. Banale kleine Dinge, die ihr jedoch einen Vorwand lieferten, in der Sicherheit ihres Zimmers zu bleiben, während unten diese fürchterliche, nicht enden wollende Melodie gespielt wurde.
Ganz zuletzt berührte sie noch einmal das Kollier, das Gordon ihr beim Dinner überreicht hatte. Unter einem Chor von Ahs und Ohs weiblicher Verwandtschaft und der Männer, die ihn gnadenlos mit seiner Verliebtheit aufzogen, hatte Gordon ihr das auffallend und kostspielige Saphirkollier umgelegt. Sie hatte sich an ihn gelehnt, aber er war mit einem ausgesprochen un -liebevollen Klaps auf ihre Schulter einen Schritt zurückgetreten.
Das Kollier war hinreißend. Sagenhaft. Ein regelrechtes Kunstwerk. Und absolut nicht nach ihrem Geschmack.
Kurz entschlossen griff sie hinter sich, um den Verschluss zu lösen, und legte den protzigen Halsschmuck in seine Schatulle zurück. Die Musik schwoll an, als Elisabeth ihr Schmuckkästchen öffnete und etwas anderes heraussuchte. Eine schlichte goldene Kette mit einem ebenso schlichten Anhänger – einem Stein, der atemberaubender war als alle, die sie je gesehen hatte.
Groß wie die Faust eines Babys und kaum bearbeitet, als wäre er gerade erst abgebaut worden, war der milchig durchscheinende Kristall mit silbernen, goldenen, perlrosa und pechschwarzen Adern durchzogen. Je nach Beschaffenheit des Lichts konnte er mit flammenartiger Helligkeit aufleuchten oder wie glühende Kohlen glimmen. Heute Abend lag er in der Mulde zwischen ihren Brüsten. Die Unaufdringlichkeit seiner Farben betonte ihre honigfarbene Haut und zauberte ein goldenes Funkeln in ihre Augen.
Würde Gordon verstehen, oder würde er bei einem Blick auf ihren Hals nur ihre Weigerung sehen, sein kostspieliges Geschenk zu tragen? Vielleicht war es heute Abend wohl doch besser, die Saphire zu tragen.
Elisabeth nestelte gerade wieder an dem Verschluss, als die Tür aufflog und die mädchenhaft runden Gesichtszüge von Tante Pheeney offenbarten.
»Trödelst du immer noch hier oben herum? Allmählich denken alle, du hättest kalte Füße bekommen, meine Liebe. Sogar Gordon ist besorgt. Du weißt, was man über das Rad der Zeit sagt …«
»Ich brauche nur noch einen Moment.«
Aber Tante Pheeney ließ sich nicht länger hinhalten und zog Elisabeth aus dem Sessel hoch. »Schluss mit dem Verstecken hier oben! Was heute stattfinden soll, ist eine Feier, keine Totenwache.«
»Ich weiß, ich muss nur noch …«
»Keine Ausreden mehr, junge Dame!« Die Tante hatte sie schon halbwegs bis zur Tür geschoben. »Du kommst jetzt mit hinunter.« Ihre sonst so heiteren Züge verzogen sich zu einem Ausdruck, der bei Tante Pheeney als strenge Miene durchgehen könnte. »Das ist ein Befehl.«
»Ja, Ma’am.« Elisabeth ließ sich von ihr hinausführen, und Gordons Saphire blieben vergessen auf der Frisierkommode liegen.
Als sie die Treppe hinuntergingen, wechselte die Musik zu einem regelrechten Contredanse . Die Herren führten ihre Partnerinnen in den für den Abend leer geräumten Salon, dessen Türen zur Eingangshalle weit geöffnet waren, um einen riesigen, festlich geschmückten, von fröhlichem Gelächter erfüllten Saal zu bilden.
Elisabeth ließ den Blick über das Meer von Gästen gleiten. Die meisten waren Familienangehörige, aber auch Nachbarn und Freunde waren gekommen, einige sogar aus dem fernen Dublin, um an den Hochzeitsfeierlichkeiten teilzunehmen. Die Heirat der Fitzgerald’schen Erbin hatte so lange auf sich warten lassen, dass alle dabei sein und sie miterleben wollten. Oder, flüsterte ihr eine zynische Stimme zu, um sagen zu können, sie seien dabei gewesen waren, als Elisabeth Fitzgerald ein zweites Mal sitzen gelassen wurde.
Tante Fitz und Lord Taverner unterhielten sich in einer stilleren Ecke. Elisabeths Vormund sprach zweifellos über Eheverträge, Mitgiftgüter und Landtreuhänderschaften. Tante Fitz nickte nachdenklich, aber ihr Blick war scharf und ihre Stirn gerunzelt.
Elisabeths Cousin Rolf, der sehr schneidig aussah in seiner scharlachroten Uniform, und ihre schöne, ganz in Weiß und Gold gekleidete Cousine Francis wirbelten über die Tanzfläche, während Cousine Fanny und Sir James von den herumgereichten Platten naschten.
Onkel McCafferty war in ein
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