Verlockendes Dunkel
und Demütigung und Erniedrigung die verschiedenartigsten sadistischen Formen angenommen hatten.
Eine Hand berührte seine Stirn. Ohne nachzudenken, schlug er um sich und traf den ihm am nächsten Körper, während er im Geiste bereits Fluchten plante, Rache, was auch immer, um dem Mann von ihm fernzuhalten, bevor …
»Au!«
»Er ist wach!«
Stimmen. Mehr als eine. St. Johns brutale Bestien? Waren sie gekommen, um ihn zu holen? Er würde nicht freiwillig mitgehen. Nicht wieder. Nie wieder. Mit fliegenden Fäusten fuhr er hoch, und ein furchtbarer Schmerz durchzuckte ihn. Seine Schulter brannte, seine Nerven waren wund und pochten.
»Halt ihn fest, bevor er sich verletzt.«
»Rogan!«
»Er hat die Nähte aufgerissen. Sei vorsichtig.«
»Gott, das war mal eine saubere Jacke!«
Hände drückten ihn herunter. Ein Knie auf seiner Brust machte ihm das Atmen fast unmöglich.
»Brendan, ich bin’s. Elisabeth. Du bist in Sicherheit. Du bist verwundet, doch das verheilt wieder, wenn du stillhältst.«
War es ein Trick? Oder litt er an Halluzinationen? Er ergab sich, weil der Preis fürs Kämpfen viel zu hoch war.
Die Träume verließen ihn, zuerst das Gefühl der Panik und Erniedrigung, dann etwas langsamer die Verzweiflung, der siedende Ärger, weil er wusste, dass Sabrina seinetwegen in Gefahr war und seine Schwester sterben würde, weil er ihr wichtig genug gewesen war, um seinem Ruf zu folgen.
Sie durfte nicht sterben. Nicht noch eine Leiche. Nicht noch ein Geist. Es gab schon zu viele. Ihre Stimmen dröhnten in seinen Ohren, ihre Augen verfolgten ihn im Schlaf. »Kann nicht … atmen … sprechen …«
»Du kannst jetzt von ihm runter, Rogan.« Die kühle, selbstbewusste Stimme einer Frau.
Das erstickende Gewicht wurde von seiner Brust genommen, worauf er schwer nach Atem rang und würgte. Er wälzte sich zur Seite, und wieder schoss ein messerscharfer Schmerz aus seiner Schulter in seinen Kopf.
Sanfte Hände strichen ihm über das Haar und wischten ihm mit einem feuchten Tuch über das Gesicht. »Die Kugel ist entfernt, aber du hast viel Blut verloren und musst dich ruhig verhalten.«
»Elisabeth?« Die Erinnerungen überschwemmten ihn wie Wasser. Die Männer in dem Wirtshaus. Der Kampf auf der Straße. Hände, die ihn unsanft in einen Wagen hoben, wo ihn jemand niederdrückte, während jemand anderer in seinem Fleisch herumbohrte, bis er ohnmächtig geworden war.
»Er hat Fieber.«
»Er wird es überleben. Seinesgleichen schafft es immer.«
Brendan bewegte den Kopf. So weit, so gut. Diesmal drehte ihm kein fürchterlicher Schmerz den Magen um. Er lag in einem Wagen mit einem Segeltuchdach, zu dessen Seiten ordentlich aufgereiht Truhen, Kisten und Reisekoffer standen.
Neben ihm saß mit furchtsamer, aber gefasster Miene Elisabeth, die ihr Haar zu einem losen Knoten am Hinterkopf zusammengenommen hatte, aus dem sich schon die ersten Locken lösten und ihr blasses, müdes Gesicht umrahmten.
Zu seinen Füßen kniete eine weitere Frau, die missbilligend die Lippen schürzte und ihn mit erhobenen Augenbrauen über triumphierend funkelnden Augen ansah.
Jacks Beschreibung war nicht annähernd so übertrieben gewesen, wie Brendan gedacht hatte. Miss Helena Roseingrave war auf eine raubtierhafte Weise schön, schlank, dunkel, anmutig und tödlich. Sie würde den armen Jack bei lebendigem Leibe auffressen und nur noch seine Knochen übrig lassen.
Ein Lachen stieg in Brendan hoch. Und warum auch nicht? Die ganze Situation stank förmlich nach einer Farce. Nach einer Knüppel-über-den-Kopf- und Von-der-Felskante-baumeln-lassen-Komödie in ihrer primitivsten Form. Beide Frauen sahen ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Und vielleicht war es ja auch so. Er war Máelodor entkommen, nur um in die Hände der Amhas-draoi zu fallen.
Wie aberwitzig. Lächerlich. Und bezeichnend für sein unerhörtes Pech.
Kapitel Neun
K aum öffnete Brendan die Augen, griff er sofort mit einer Hand nach seiner Kehle. Nichts. Da waren weder die Kette noch der Stein. Sie waren weg. Verloren. »Verfluchter …!« Er presste die Lippen zusammen und suchte unter der Decke. Die Kette würde irgendwo hier sein. Musste hier sein.
Elisabeth blickte mit einer kleinen Falte zwischen ihren Brauen auf. »Die übliche Begrüßung ist: ›Guten Morgen, ich hoffe, du hast gut geschlafen. Schönes Wetter für einen Ausflug, nicht?‹«
»Wenn du ein verdammtes Loch in der Schulter hättest, möchte ich sehen, wie du den Tag
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