Verlockendes Dunkel
Allerschwierigste gewesen. In seiner Erinnerung waren sie unverändert geblieben, aber die Wirklichkeit sah völlig anders aus. Der Tod des Vaters und die Zerstörung ihrer Familie hatte sie alle getroffen. Keiner von ihnen war unversehrt geblieben.
»Du hast mich doch nicht nur aus reiner Herzensgüte vor Máelodors Schergen gerettet, eine Kugel aus mir herausgeholt und mich zu dir nach Hause eingeladen. Was springt also für dich dabei heraus?«
Rogan und Miss Roseingrave wechselten bedeutungsvolle Blicke, und der Harfenist zuckte mit den Schultern. »Du wirst es nie erfahren, wenn du ihn nicht fragst, Helena.«
Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich, als sie, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, eine langsame Runde durch das Zimmer drehte. Als sie schließlich wieder vor Brendan stehen blieb, war ihr anzusehen, dass sie einen Entschluss gefasst hatte. »Der Sh’vad Tual – wo hast du ihn versteckt?«
»An einem sicheren Ort.«
Ihr Blick verhärtete sich. »Ist dir klar, was geschehen wird, falls Máelodor Artus’ Grab öffnet? Falls er den letzten König als Domnuathi wiederauferstehen lässt? Bist du dir wirklich des ganzen Ausmaßes einer solch abscheulichen Tat bewusst?«
»Beruhige dich, Helena!«, sagte Rogan, eine Hand auf ihrer Schulter. »Wir sind alle müde und gereizt. Vielleicht sollten wir das Gespräch auf morgen verschieben.«
Abrupt drehte sie sich zu ihm um. »Du denkst, ein paar Stunden Schlaf würden Douglas plötzlich umstimmen? Er hat sich schon damals einen Dreck darum geschert, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Er ist noch genauso berechnend und eigennützig, wie er es schon immer war.«
»Du bist wirklich nicht gerade die Geschickteste im Überreden«, warf Brendan spöttisch ein.
Erbost fuhr sie zu ihm herum. »Denkst du, dieser Kampf würde nur eine simple Auseinandersetzung zwischen Anderen und Duinedon werden? Wohl kaum. Es werden Andere gegen Andere kämpfen. Genau wie in jenen finsteren Zeiten, als die Gruppe der Neun Bruder gegen Bruder aufeinanderhetzte. Ich lasse nicht zu, dass das erneut geschieht.«
Brendan beugte sich vor, als plötzlich wilde Wut in ihm aufstieg. »Statt mich all die Jahre zu verfolgen, hätten die Amhas-draoi vielleicht ihre Zeit damit verbringen sollen, die wahre Gefahr zu jagen.«
»Uns wurde gesagt, Máelodor wäre hingerichtet worden, und du wärst der Einzige, der von den Neun noch lebte.«
»Gervase St. John hat euch alle ganz schön an der Nase herumgeführt, nicht wahr?« Dieser Mann war einer der vielen Gründe, warum Brendan keinen Schlaf mehr fand. Der perfide Amhas-draoi hatte Mittel zur Vernichtung gekannt, die keine sichtbaren Spuren hinterließen und das Opfer langsam von innen heraus töteten. Eine zerquetschte Hand war das kleinste Übel gewesen.
Helena Roseingrave fuhr zusammen. Eine steile Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen, und ihre roten Lippen wurden schmal. »St. John hat seinen Verrat mit dem Leben bezahlt.«
»Wenn einer von euch umgedreht werden konnte, kann es auch bei anderen geschehen. Scathach ist die Einzige, der ich vertraue. Sie ist die Einzige, die mir mein Leben zurückgeben kann.«
Helena warf den Kopf zurück und lachte höhnisch. »Das ist dein Plan? Ob mit Stein oder ohne, sie wird dich töten, Douglas.«
Brendan biss die Zähne zusammen. »Das Risiko gehe ich ein.«
»Dann wird es das letzte sein, das du eingehst. St. John war ein hochrangiges und angesehenes Mitglied der Amhas-draoi . Es war nicht leicht, seinen Einfluss zu überwinden oder die Bruderschaft zu überzeugen, dass Máelodor noch lebt. Nicht ohne Beweise. Die meisten von uns sind noch immer der festen Überzeugung, dass du der Drahtzieher hinter dieser neuerlichen Bedrohung bist. Du bist als das letzte noch lebende Mitglied der Neun zum Tode verurteilt worden.«
»Und wieso glaubst du, anders als deine Brüder, dass Máelodor lebt?«
Sie schenkte ihm ein schmallippiges Lächeln. »Weil ich ihn gesehen habe. Nur kurz, aber ich weiß, dass er dort draußen ist. Leider ist es ihm gelungen, sich wie eine Spinne in seinem Schlupfwinkel zu verkriechen. Es gibt keine Hinweise, wo er ist, keine Möglichkeit, ihn aufzuspüren.«
»Magie«, sagte Brendan nur.
»Was willst du damit sagen?«
»Dass er verbotene Magie benutzt, um sich abzuschirmen. So muss es sein. Diese Art von Macht kann nur durch die dunkle Magie der Unsichtbaren erzeugt werden.«
»Das klingt vernünftig.« Helena Roseingrave legte die Finger an die
Weitere Kostenlose Bücher