Verlockendes Dunkel
zur Furcht.«
»Wie du es in Loughrea tatest? Sie wird vielleicht mehr Sicherheit als diese wollen. Immerhin ist es ihr Leben, über das wir reden. Elisabeth? Was sagst du dazu?«
Dies war ihre Chance zu entkommen. Zu tun, wozu sie Brendan vor ein paar Tagen gedrängt hatte. Und jetzt? Sie hatte sich alle Möglichkeiten durch den Kopf gehen lassen und Vor- und Nachteile abgewogen, als fertigte sie eine Strichliste an, und immer war sie zu dem gleichen Schluss gekommen. »Ich bin dafür, dass wir bleiben«, erklärte sie.
Brendan wurde stocksteif, und sein Gesicht verdüsterte sich.
Elisabeth fuhr schnell fort, bevor sie es sich anders überlegte. »Du warst selbst der Meinung, dass wir, ob es uns passt oder nicht, in Helenas Gesellschaft am sichersten sind, solange deine Schulter noch nicht wieder ganz in Ordnung ist.«
»Das mit der Sicherheit ist vielleicht ein bisschen übertrieben«, wandte die Amhas-draoi mit einem kalten, ärgerlichen Ausdruck in den Augen ein.
»Wenn du Brendan töten wolltest, hättest du es längst getan«, versetzte Elisabeth. »Wir haben nichts zu verlieren und alles zu gewinnen, indem wir bleiben, solange du uns hier haben willst.«
»Und wenn ich beschließe, die Welt ein für alle Mal von Douglas’ Perfidie zu befreien?«
Elisabeth erlaubte sich ein vielsagendes Lächeln. »Dann würdest du große Mühe haben, eine Leiche in deinem Haus zu erklären. Bedienstete tratschen. Es gehört sich nicht, einen Gast zu ermorden, Helena.«
Die anderen drei starrten sie an, als wären ihr Hörner gewachsen, obwohl sie doch nur auf das Offensichtliche hingewiesen hatte. Sie presste die Lippen zusammen, steckte die Hände in die Rocktaschen und schaute die anderen angriffslustig an. Es waren keine magischen Fähigkeiten vonnöten, um den Kern der Sache zu verstehen. Vernunft, ein bisschen Intelligenz und gesunder Menschenverstand genügten. Außerdem war sie es leid, die dumme kleine Duinedon in einer Schar von mit Magie begabten Anderen zu sein.
Brendan erholte sich als Erster. Mit einem belustigten Funkeln in den Augen musterte er sie, als sähe er sie zum ersten Mal. »Ich glaube, ich habe die Antwort auf meine Frage.«
»Antworten? Wer sucht hier Antworten?«
Diese neue Stimme brach die Spannung wie eine Faust eine Scheibe Glas. In der Tür war eine gebückte alte Frau erschienen, deren pergamentenes Gesicht von tausend feinen Linien durchzogen war und deren Hände, die den Türknauf hielten, gichtgekrümmt und knochig waren. »Kilronans Erbe ist zurückgekehrt.« Sie hob den Kopf, als erspähte sie etwas hinter dem Horizont, das für die anderen nicht zu sehen war. »Der letzte Kampf hat also tatsächlich begonnen.«
Brendan wartete, bis Elisabeth von Helena Roseingraves Großmutter zu einem Schlafzimmer geführt worden war. Erst dann fuhr er wütend zu seiner Gastgeberin herum. Er war es leid, wie eine Marionette hin und her gezogen zu werden. Leid, ihr ausgeliefert zu sein. Er war schlicht und einfach alles leid. Die rätselhaften Bemerkungen und prüfenden Seitenblicke der Amhas-draoi zerrten an seinen ohnehin schon strapazierten Nerven. »Was willst du von mir?«
Miss Roseingrave antwortete mit einem schwachen Lächeln. »Es waren ein paar sehr anstrengende Tage. Wir haben noch Zeit genug für Erklärungen, wenn du erst mal eine Nacht gut durchgeschlafen hast.«
»Wenn du darauf wartest, kommen wir vielleicht nie zum Kern der Sache. Und ich weiß nicht, wie es bei dir ist, doch mir ist das geistreiche Geplänkel ausgegangen.«
»Wie schroff, mein Freund! Wo sind deine Manieren geblieben? Dieser jungenhafte Charme, der deine Zuhörer so gefangen nimmt?«
»Du verwechselst mich mit meinem Bruder. Aidan ist der Charmeur und ich nur der manipulative, sarkastische Einsiedler. Frag Lissa! Sie wird’s dir sagen.«
»Lord Kilronan charmant? Du warst wirklich lange weg, nicht wahr?«
Was sollte diese kryptische Bemerkung? War Aidan etwas zugestoßen? Er war immer ein leichtlebiger, redegewandter Filou mit trockenem Humor gewesen. Wie oft hatte Brendan seinen Bruder um dessen Unbekümmertheit beneidet? Freunde fühlten sich zu ihm hingezogen; Frauen schwärmten für ihn. Konnte der Tod ihres Vaters eine solch verheerende Veränderung verursacht haben?
In all den Jahren in der Ferne hatte Brendan sich nach seiner verlorenen Familie gesehnt. Die Verbindung zu ihnen zu durchtrennen, das Vertrauen seines Bruders und den Glauben seiner Schwester an ihn zu verlieren, war das
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