Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
davonzustehlen, während eine Schar Frauen meinen Haushalt stürmte. Vielleicht lässt du Seneca lieber gesattelt. Nur für den Fall, dass ich später schnell die Flucht ergreifen muss.«
Der Junge schmunzelte ebenfalls. »Er wird für Euch jederzeit bereit sein, Sir.«
Earl oder nicht, für Jonathan war es kein Problem, mit der Dienerschaft einen vertraulichen Umgang zu pflegen. Und der Junge, der vermutlich kaum älter als sechzehn war und dichtes, helles Haar und ein aufrichtiges, gutes Wesen hatte, war im Umgang mit Pferden ein Naturtalent. Dieser Umstand ließ jeden Mann in seiner Achtung steigen. Resigniert fragte er: »Dann sind meine Schwestern derweil wohl eingetroffen?«
»Vor zwei Stunden.«
Er war dazu verdammt, für sie den Gastgeber und Beschützer zu spielen, und er wusste um diese Pflicht. Darum neigte er bloß den Kopf. »Ich nehme an, ich sollte jetzt besser gehen.«
Will verschluckte sich an einem Lachen. »Ich fürchte, es hilft alles nix, Mylord.«
Als er zur Vorderseite des Stadthauses lief und die Stufen hinaufstieg, schüttelte Jonathan in Gedanken den Kopf. Schlimm genug, dass er nach England hatte reisen müssen, um seiner Verantwortung als einziger Sohn seines Vaters nachzukommen. Sich zudem der Feindseligkeit seiner Familie auszusetzen, war eine Qual, bei der er die Zähne zusammenbeißen musste. Am liebsten würde er sie einfach meiden. Das schien ihm aber leider unmöglich. Das Unerträglichste an dieser ganzen Situation war, dass er aufgrund der Gesetzgebung Englands für jede seiner Halbschwestern als Vormund zuständig war, bis sie verheiratet waren.
Wie ironisch … Er war nun für drei junge Ladys verantwortlich, die ihn verabscheuten. Er war jedoch seiner Pflicht nachgekommen, indem er sie nach London eingeladen hatte, und obwohl Lillians Antwort knapp und alles andere als höflich gewesen war, hatte sie im Namen aller drei Schwestern die Einladung mit einem in ihren Zeilen spürbaren ungnädigen Schnauben angenommen.
James hatte recht. Sie waren jetzt sein Problem.
Sogar ein ziemlich großes.
Das war aber für ihn in Ordnung. Er konnte durchaus ihren Spott ertragen, wenn es das war, was sie ihm entgegenbringen wollten. Aber er würde es auf keinen Fall dulden, wenn sie Adela brüskierten. Seine Tochter sollte nicht für seine Sünden zahlen, und er wusste aus erster Hand, was es bedeutete, unter einer zweifelhaften Elternschaft zu leiden, ob er nun Earl war oder nicht. Er hatte sogar darüber nachgedacht, seine Tochter bei seiner Tante zu lassen. Aber sowohl Adela als auch er hätten unter der Trennung gelitten. Daher hoffte er einfach, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. In wenigen Augenblicken würde er herausfinden, ob es ein Fehler gewesen war.
Seine drei Halbschwestern hatten sich im offiziellen Salon eingefunden, stellte er fest. Schweigend saßen sie beisammen, als müssten sie für etwas büßen. Die Hände im Schoß gefaltet, zeigten ihre Mienen unterschiedliche Gefühlslagen. Lily weigerte sich natürlich, mehr als nur einen knappen Blick in seine Richtung zu werfen, bemerkte er, als er in der Tür stand. Ihr Hochmut war offensichtlich. Betsy ließ sich ganz vom Blick aus dem Fenster über die Gärten gefangen nehmen und tat so, als bemerkte sie ihn gar nicht. Die Jüngste aber, Carole, lächelte ihm zögernd zu.
Sie hatten alle drei unterschiedliche Persönlichkeiten, doch ihr Aussehen ähnelte sehr dem gemeinsamen Vater. Sie hatten eine helle Hautfarbe und hatten zarte Gesichtszüge. Angesichts seiner dunklen Haut und des ebenholzschwarzen Haars konnte er kaum glauben, dass er und diese drei Frauen einen gemeinsamen Elternteil hatten.
Aber es gab noch mehr, das ihn von den Frauen unterschied. Und das bezog sich nicht auf die beiden sehr unterschiedlichen Kontinente, auf denen sie aufgewachsen waren. Sie waren englische Ladys. Er war kaum ein Aristokrat, egal, welche Maßstäbe man anlegte. Nur seine Geburt machte ihn zum Earl.
Sie waren trotzdem unwiderruflich aneinander gebunden. Er mochte sich wenig aus den Ländereien, dem Testament oder den sich daraus ergebenden Einkünften machen, aber als er den Brief erhielt, der ihn über den Tod seines Vaters in Kenntnis setzte, hatte er sich zumindest so sehr um seine drei Halbschwestern gesorgt, dass er den Atlantik überquert hatte, um für ihre Zukunft zu sorgen. Er hätte auch auf das Geschick der Anwälte vertrauen können, die sich um die Details kümmerten. Aber die Angehörigen seiner Mutter
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