Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
durch sein Haar. »Sie hat zu oft eine eigene Meinung. Niemand sagt das offen zu mir, aber ich weiß dennoch, dass das der Grund ist, warum sie während ihrer ersten Saison nicht so populär war.«
Unglücklicherweise war ihre Schwester auch noch sehr offen, entschieden zu klug und hatte nicht einen Funken Koketterie an sich. Cecily hatte den Eindruck, dass die meisten Männer sie als eine Bedrohung empfanden, da sie verglichen mit den vielen albern kichernden Debütantinnen so wenig diplomatisch war. Eleanor wusste, dass sie manchmal zu offen war, weshalb sie sich angewöhnt hatte, in Gesellschaft so still wie möglich zu sein, was auch nicht gerade weiterhalf. Cecily war ziemlich sicher, dass andere spürten, wie unwohl Eleanor sich fühlte.
»Ich stimme dir zu. Wie ich schon sagte, ich glaube, zwischen den beiden ist irgendetwas vorgefallen.«
»Ich wusste nicht, dass sie ernsthaft für ihn schwärmt.« Roderick war verärgert. »Und er ist völlig in dich vernarrt. Ist ihr das bewusst?«
Vernarrt war in ihren Augen der falsche Begriff. Vielleicht glaubte der Viscount, sie sei eine angemessene Partie, aber das war etwas völlig Anderes als eine Vernarrtheit. Cecily glaubte zudem, dass ihre Schwester durchaus Bescheid wusste. »Wenn es ihr bewusst ist, hat sie das mir gegenüber nie angesprochen. Allein das spricht doch Bände, oder? Ich glaube inzwischen, er könnte unter Umständen der Grund sein, warum sie keinen anderen Mann favorisiert hat.«
»Bist du sicher?«
Cecily nickte. »Du könntest ihn auf ihr Interesse hinweisen, aber nur auf höchst feinfühlige Art.«
»Feinfühlig?« Roderick klang alarmiert.
Vielleicht war das der falsche Begriff für einen Mann. Darum berichtigte sie sich: »Sei subtil. Bring ihren Namen ins Spiel, und warte seine Reaktion ab. Wenn er weiß, was sie für ihn empfindet, könnte er unter Umständen die Situation neu bewerten. Ich habe bisher nicht den Eindruck gewonnen, er sei mir wirklich zugeneigt. Dafür kennen wir uns einfach nicht gut genug. Ich habe erst vor kurzem mein Debüt gegeben, und er hat wohl beschlossen, es sei jetzt an der Zeit, sich nach einer Frau umzusehen. Ich fühle mich geschmeichelt, aber ich vermute, in einer Ehe würden wir einander irgendwann zu Tode langweilen. Er braucht eine Frau, die so ist wie Eleanor.«
Roderick sah sie zweifelnd an. Erneut fragte er: »Und du bist sicher, dass deine Vermutung stimmt?«
Sie dachte an die letzte Gesellschaft, an der sie gemeinsam teilgenommen hatten, und daran, wie Eleanor den Viscount den ganzen Abend lang mit gespielter Gleichgültigkeit beobachtet hatte. Eleanor und sie waren vielleicht ein paar Jahre auseinander, aber sie standen einander dennoch sehr nahe. Cecily kannte ihre Schwester. Sie nickte entschlossen. »Das bin ich.«
Es klang eindeutig so, als stieße ihr Bruder einen leisen Fluch aus. »Ich vermute, wenn du seinen Antrag ausschlagen wirst, werde ich einen Weg finden, in seiner Gegenwart ganz diplomatisch Eleanor zu erwähnen.« Jetzt stand Roderick auf, doch er blieb stehen, ehe er das Zimmer verließ. Sein Blick war sehr direkt. »Ich weiß, ich habe versprochen, dich nicht danach zu fragen. Aber was zum Teufel hat Augustine gestern Abend zu dir gesagt? Ich bin so neugierig wie alle anderen auch.«
Ist denn die ganze Welt von dieser Frage besessen?
Wenn sie ihm die Wahrheit sagte, spielte er unter Umständen den erzürnten Bruder. Vielleicht sollte er das sogar. Aber das würde die Gerüchteküche nur noch mehr zum Brodeln bringen. Das Verhalten des Earls war unverfroren gewesen, aber bestimmt war es nicht den Aufruhr wert, der erzeugt wurde.
»Es war nichts«, erwiderte sie fest.
Jonathan zügelte sein Pferd und rutschte aus dem Sattel. Zufrieden tätschelte er den Hals des seidig glänzenden Rappen. »Guten Tag, Will.«
»Hattet Ihr einen angenehmen Ausritt, Mylord?« Der junge Stallbursche kam zu ihm herüber und nahm die Zügel entgegen. Seine Miene war ängstlich um Höflichkeit bemüht, doch glomm auch etwas Vergnügtes in seinen Augen auf. »Ist ein schöner Tag heute.«
Wenigstens sein Personal schien an seinem mangelnden Interesse an den Konventionen Gefallen zu finden. Er wusste, die anderen Adeligen waren nicht annähernd so tolerant. »Ein Ausritt im Park ist zwar nicht dasselbe wie das, woran ich gewöhnt bin, aber ja, es war sehr angenehm, die Sonne ein wenig zu genießen.« Jonathan streifte die Handschuhe ab und schmunzelte. »So war es mir möglich, mich
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