Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
er sich mit Lily auf Augenhöhe begab.
»Es war ein Unfall.« Ihre Stimme war ganz leise.
»Was du damit andeuten willst, ist, dass er das geplant hat und du zufällig in seine Falle getappt bist. Erzähl weiter.«
»Ihr kennt ihn nicht.« Sie hob den Kopf. Ihr Blick war trotzig. »Im Übrigen habt Ihr etwas mit ihm gemeinsam, wenn ich das richtig verstanden habe. Nur kam es in unserem Fall nicht zur Zeugung eines Kinds.«
Sie verteidigte diesen Mann auch noch. Das war interessant. Jonathan ignorierte den Seitenhieb auf die Umstände der Geburt seiner Tochter. Er war sich durchaus bewusst, dass das Gerücht umging, er habe damals nicht den Gentleman spielen wollen und sich daher geweigert, Adelas Mutter zu heiraten. »Er hat dich ruiniert, und dann hat er es abgelehnt, einen ehrenvollen Weg einzuschlagen. Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte?« Seine Frage war höflich, aber knapp. Er war irgendwie überrascht, weil James ihm die ganze Geschichte nicht schon früher erzählt hatte. Aber vermutlich war seine geradezu tödliche Wut der Grund, warum sein Cousin geschwiegen hatte. Und ja, er war wütend. »Stell uns bei Gelegenheit einander vor, dann kann ich das direkt mit ihm besprechen.«
»Dafür gibt es keinen Grund.«
»Mir kommt es so vor, als gäbe es den durchaus.«
»Woher wisst Ihr denn, dass es seine Schuld war?«
Diese Frage ließ ihn verstummen. Sie hatte natürlich recht; er konnte nicht sicher sein. Er kannte sie nicht gut genug, um sich ein Urteil zu erlauben.
Kühl fuhr sie fort: »Wir reden hier außerdem nicht über mich, sondern über die erste Saison unserer Schwestern. Ich wollte nur sagen, dass es angesichts meiner eigenen Verfehlungen das Beste ist, wenn Ihr auf keine Weise die Grenzen des Erlaubten überschreitet.«
Wenn er bedachte, wie offensichtlich ihre Abneigung gegen ihn war, weil er in ihrem Leben zukünftig eine entscheidende Rolle spielte, musste es sie bestimmt einige Überwindung gekostet haben, die Sachlage so einfach auszudrücken. Jonathan musterte sie und schmunzelte. »Kurz gesagt, ich sollte meine guten Absichten in Zukunft für mich behalten und mich von mit Champagner getränkten jungen Ladys fernhalten. Willst du das damit sagen?«
Sie nickte. »Die Leute beobachten Euch, weil Ihr …«
Er wartete und hob fragend die Augenbrauen.
»… anders seid«, beendete sie den Satz. Immerhin besaß sie so viel Anstand zu erröten, und das, obwohl sie während ihres Geständnisses so blass und entschlossen gewesen war.
»Ach ja. Der wilde Earl.«
Die Röte in ihren Wangen wurde noch dunkler. »Das hätte ich nie so gesagt.«
Sein Schulterzucken war aufrichtig. Selbst in seinem Heimatland war seine Herkunft als Mischling nicht ohne Nachteile für ihn gewesen. Hier in England aber war er noch viel mehr eine Besonderheit. Nur zur Hälfte war er der erhabene Earl. Die andere Hälfte war eine Mischung aus den verhassten Franzosen und dem Stamm seiner Mutter. Kein Wunder also, überlegte er, dass man ihn mit fragwürdigem Interesse bedachte. »Das ficht mich nicht an.«
»Aber wir sollten uns deswegen Sorgen machen. Um Betsys und Caroles willen.«
Er trank einen Schluck Brandy, doch seine lässige Haltung war jetzt etwas aufgesetzt. Er wollte so schnell wie nur irgend möglich nach Amerika zurückkehren. Die einzige Möglichkeit, dies rasch zu erreichen, war, dass er seine Schwestern schnell verheiratete.
Und zwar alle drei. Da sie hübsch waren und aus einer angesehenen Familie stammten sowie über eine üppige Mitgift verfügten, war ihm das bisher nicht als allzu schwere Aufgabe erschienen. Selbst wenn Lily die Hübscheste der drei Mädchen war, schien sich ihm hier ein Hindernis in den Weg zu stellen, das er nicht vorhergesehen hatte.
Verflucht sei Viscount Sebring. Verflucht sei auch die überaus bezaubernde Tochter eines Dukes, die ihn in Schwierigkeiten gebracht hatte. Und vor allem mögen die Regeln einer Aristokratie verflucht sein, die eine junge Frau dem gesellschaftlichen Ruin auslieferte, sobald sie sich in Gegenwart eines Mannes kompromittieren ließ. Der Mann allerdings, für den andere Maßstäbe galten, konnte nach einem Zwischenfall wie diesem einfach seiner Wege gehen.
Dies musste geregelt werden, je schneller er sich darum kümmerte, umso besser.
Lilys Miene wirkte leicht starr, aber sie schaffte es, ganz ruhig zu sagen: »Ihr habt selbst ein Kind. Was ist mit ihr?«
Jonathan neigte den Kopf. »Ja, ich habe eine Tochter. Sie freut sich sehr
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