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Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)

Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)

Titel: Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Wildes
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anderes. »Vielleicht solltest du mir einfach erzählen, wovon du fürchtest, dass James es mir enthüllt haben könnte.«
    »Es ist demütigend.« Sie blickte beiseite.
    Demütigend. Ja, das war es. Er konnte es an ihrer Haltung erkennen, daran, wie kerzengerade ihr Körper in dem blauen Kleid auf dem Stuhl saß. Ein Kleid, bei dem selbst er erkannte, dass es nicht der letzten Mode entsprach. Er erkannte die Demütigung zudem daran, wie sich ihre Gesichtszüge verkrampften.
    Zum ersten Mal, seit er den Fuß auf englischen Boden gesetzt und erkannt hatte, dass er zukünftig für seine Schwestern verantwortlich war, verstand er, was diese Verantwortung bedeutete.
    Dieses Problem ist nicht nur ihres. Es ist jetzt auch mein Problem.
    Seine Tante – die ihn nach dem Tod seiner Mutter aufgezogen hatte – hätte das als »klares Zeichen« gedeutet. Damit meinte sie alle Situationen, in denen eine Person behutsam in eine Richtung geführt wurde, in die sie nicht gehen wollte.
    Dies hier war so eine Situation.
    »Klär mich auf.« Er ging zu einem kleinen Tischchen, schenkte sich ein Glas Brandy ein und nahm nach kurzem Zögern auch die Karaffe mit dem Sherry, um seiner Schwester einen Schluck einzugießen. Zuerst dachte er, sie werde das Kristallglas ablehnen, aber dann nahm sie es mit zitternden Fingern.
    »Danke.« Sie trank nicht, sondern starrte nur in ihr Glas. Ihre Miene wirkte etwas abwesend.
    »Und jetzt erzähl mir, warum wir hier sind.«
    »Sie brauchen das nicht in allen Einzelheiten zu hören.«
    »Ich vermute, du redest von Carole und Betsy … Warum?«
    Lily blickte auf. Ihre Blässe war auffällig. »Ihr müsst diskret sein, weil ich es einst nicht gewesen bin. Mein Skandal war schlimm genug. Meine Schwestern werden es in der Gesellschaft nicht allzu weit bringen, wenn unsere Familie einen weiteren Skandal verkraften muss. Wenn Ihr noch nicht davon gehört habt, werdet Ihr das sicher bald. Carole und Betsy wissen ein wenig darüber. Natürlich, denn jeder weiß darüber Bescheid. Aber ich bin nicht sicher, ob ihnen bewusst ist, wie mein schlechter Ruf sich auf sie auswirken wird.«
    An ihrer Aussage war so bemerkenswert, dass sie es genauso meinte, wie sie es sagte, stellte er fest. Sie war doch erst 22! Wusste sie denn nicht, dass in ihrem Alter alle Angelegenheiten wie eine Katastrophe wirkten, es allerdings die wenigsten tatsächlich waren? Das Leben ging weiter. Er war zwar nur sieben Jahre älter, aber diese Lektion hatte er inzwischen gelernt.
    »Ich komme um vor Neugier zu erfahren, was eine anständige englische Lady wie du getan haben könnte, um ihre Familie angeblich zu demütigen«, erklärte er nachdenklich.
    Sie zögerte nicht lange mit der Antwort. »Ich habe eine Nacht mit Viscount Sebring verbracht.« Lily blickte auf. Ihre blauen Augen wirkten jetzt dunkler, sie waren direkt auf ihn gerichtet. Sie hob das Kinn. »Er weigerte sich, mich danach zu heiraten.«
    Vielleicht war das Merkwürdigste an diesem Gespräch der geradezu mörderische Drang, den Jonathan auf einmal verspürte. Er wollte diesen bis dato völlig unbekannten Edelmann – dessen Adel er sogleich in Frage stellte, wenn er bedachte, worüber sie sich gerade unterhielten – dafür zur Verantwortung zie hen, dass er das Leben seiner Schwester ruiniert hatte. Es war von ihr mit wenig Pathos vorgetragen worden. Daran, wie Lily sich hielt, erkannte er, dass sie keinen Zuspruch von ihm verlangte. Er empfand merkwürdigerweise eine gewisse Verpflichtung ihr gegenüber, obwohl er noch bis vor kurzem gedacht hatte, er werde sich ihr und ihren Schwestern nicht verpflichtet fühlen.
    Er war also, wie er jetzt feststellen durfte, ziemlich verpflichtet. Er war in die Sache verwickelt. Allein der Blick in ihre Augen würde jeden Mann mit einem Mindestmaß an Mitgefühl dazu bewegen, sich für sie einzusetzen. Und er war immerhin ihr Bruder.
    Lieber Gott, er war ihr Bruder. Sein Leben lang war das für ihn nur ein abstraktes Konzept gewesen. Aber in diesem Moment, während sie zitternd vor ihm auf der Kante ihres Stuhls hockte – in einem Zimmer, das einst ihrem gemeinsamen Vater gehört hatte –, wurde ihm die Bedeutung seiner neuen Stellung endgültig bewusst. Lily hatte niemanden, der sie beschützte. Nur ihn.
    »Er hat sich geweigert, die Tochter eines Earls zu heiraten? Das kann ich mir kaum vorstellen. Erzähl mir, was passiert ist.« Jonathan setzte sich. Seine Größe war imposant, und er wusste das. Er wollte Antworten, weshalb

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