Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
nicht mit den beiden allein lässt, Elle.«
Es war schrecklich peinlich, zur gleichen Zeit wie Lord Drury einzutreffen, aber da konnte man wohl nichts machen. Soweit Jonathan gehört hatte, kam es oft genug vor, dass zwei Gentlemen, die an derselben jungen Lady interessiert waren, am selben Tag zu Besuch kamen. Beide standen in dem großen, herzoglichen Salon. Der Viscount wirkte distanziert und angespannt. Jonathan hingegen war vor allem schicksalsergeben, weil er im Blick des anderen Mannes so offene Abneigung sah.
Er konnte es ihm kaum verdenken. Die Frau, die der Viscount für sich haben wollte, hatte öffentliche Kritik riskiert, um Jonathan aufzusuchen und mit seiner Hilfe eine Verlobung zu verhindern. Obwohl Jonathan sich ihrer wahren Motive noch nicht sicher war, brachte er zu einem gewissen Maß Verständnis für die missliche Lage seines Konkurrenten auf.
Drury hatte ihr Rosen mitgebracht. Alle zwölf tiefroten Rosenblüten waren perfekt, zweifellos stammten sie aus einem Gewächshaus. Jonathan war an diesem Morgen früh an das Ufer der Themse geritten und hatte dort wilde Blumen gepflückt. In seinem Strauß vereinten sich kleine, pinke Blüten mit gelben Blütenständen mit lilafarbener Mitte, es gab weiße Blumen und dunkelgrüne Weinranken sowie große, fleischige Blätter mit einem elfenbeinfarbenen Streifen, die ihn an zu Hause erinnerten. Die Haushälterin hatte die Blumen für ihn kunstvoll in einer Kristallvase arrangiert, und obwohl das Arrangement vermutlich als ein Sammelsurium von Unkraut bezeichnet werden konnte, fand er den Strauß recht hübsch.
Wenn Lady Cecily kultivierte Rosen den wilden Blumen bevorzugte, sollte sie sich ohnehin nach einem anderen Mann umschauen.
»Ich sollte vermutlich nicht allzu überrascht sein, dass Ihr meine Warnung in den Wind geschlagen habt, Augustine.« Drurys Stimme klang kalt und hart.
Jonathan hob eine Braue leicht an und fragte gedehnt: »Vermutlich? Ihr kennt mich nicht, Lord Drury. Wieso solltet Ihr also in der Lage sein, meine nächsten Schritte vorauszusehen?«
Sie schwiegen einen Moment und maßen einander mit Blicken. Das Ticken der Kaminuhr hallte laut in der Stille wider.
»Ich nehme an, das ist ein berechtigter Einwand«, gab Drury widerstrebend zu. Er rückte seine Manschetten zurecht. Jeder Zentimeter an ihm war der typisch steife, englische Gentleman. »Sagen wir einfach, ich habe eine Menge über Euer Interesse an der Frau gehört, die zu heiraten ich plane. Und Ihr müsst doch auch zugeben, dass Eure Gegenwart hier zu dieser Tageszeit diese Gerüchte zu bestätigen scheint.«
Zum Glück wurde Jonathan davor bewahrt, auf diese Bemerkung etwas zu erwidern, denn in diesem Moment betrat nicht nur Cecily, sondern auch ihre Schwester den Salon, der er bisher noch nie begegnet war. Ihre Röcke raschelten leise. Die eine war ganz in Gold gekleidet, die andere in Rosa. Beide waren zweifellos sehr hübsch.
Als Sohn eines Earls war er drüben in Amerika mehr als einmal in die besten Salons von Boston eingeladen worden, obwohl die Amerikaner englische Titel nicht anerkannten. Daher war er mit dem Protokoll der gedämpften, höflichen Konversation vertraut, die nach den Begrüßungen einsetzte. Dabei musste er wirklich dringend mit Cecily allein sprechen, und das schien ihm im Moment unmöglich zu sein, was wirklich ärgerlich war. Während er sich weiterhin darauf versteifte, dass er diesen Besuch aus keinem besonderen Grund machte – einmal abgesehen davon, dass Cecily in ihrem goldfarbenen Kleid ihn ablenkte und sehr verführerisch aussah –, hörte er Lord Drury mit seiner kühlen Stimme ihre Schwester fragen: »Würdet Ihr gerne mit mir im Garten spazieren gehen, Lady Eleanor?«
Es war schwer zu ergründen, wer von den dreien am meisten überrascht wirkte. Jonathan fand, dass er inzwischen ziemlich geübt darin war, eine unbeteiligte Miene zur Schau zu stellen, wenn es nötig war. Und dieser Moment ließ es angebracht erscheinen. Lady Eleanor, die eine sehr verführerische Schönheit war, wenn man üppige, dralle Frauen mit dunkelgoldenem Haar und einem distanzierten Wesen mochte, schien vom Angebot des Viscounts am meisten verblüfft zu sein. Eine zarte Röte stieg ihr ins Gesicht, obwohl Jonathan nicht genau wusste, welchen Grund es geben mochte, bei einer so harmlosen Frage zu erröten. Dann erwiderte sie freiheraus: »Ich bin doch gar nicht diejenige, mit der Ihr spazieren gehen wollt.«
»Doch natürlich. Ich habe gerade Euch
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