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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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fernzuhalten, ging ich ins Wohnzimmer zurück. Bones saß auf der Couch, ein halb leeres Whiskeyglas in der Hand. Wir Vampire gehören zu den wenigen, die ehrlich von uns behaupten können, nur des Geschmacks wegen zu trinken, da Alkohol keinerlei Wirkung auf uns hat.
    Fabian und Elisabeth schwebten in sitzender Körperhaltung über der Couch Bones gegenüber. Ich nahm neben ihm Platz und schlug die Beine unter, mehr um mich zu wärmen als aus Bequemlichkeit. In dieser Höhe war es im Frühherbst vor Sonnenaufgang bereits empfindlich kühl. Hätte ich nicht gehofft, bald ins Bett zu kommen, hätte ich Feuer gemacht. Glücklicherweise nahm mein Kater Helsing meine sitzende Position zum Anlass, vom Fensterbrett zu springen und sich zu mir auf die Couch zu gesellen. Sein pelziger Körper wirkte wie ein Miniofen, als er es sich auf meinem Schoß bequem machte.
    »Also«, sagte ich gedehnt, während ich Helsing hinter den Ohren kraulte, »wie habt ihr euch kennengelernt?«
    »Wir sind uns vor ein paar Jahrzehnten in New Orleans begegnet«, murmelte Elisabeth.
    »Juni 1935«, fügte Fabian hinzu und strich sich dann unsicher über eine seiner Koteletten. »Es ist mir in Erinnerung geblieben, weil es in dem Jahr, äh, ungewöhnlich heiß war.«
    Beinahe musste ich mir auf die Innenseite der Wangen beißen, um nicht laut loszulachen. Fabian war verknallt in die hübsche Geisterdame! Seine lahme Erklärung dafür, weshalb er sich Monat und Jahr ihres Kennenlernens so genau eingeprägt hatte, wo Geister Temperaturen nicht einmal wahrnehmen konnten, wurde nur noch von dem Dackelblick übertroffen, den er seiner Angebeteten zuwarf, bevor er wieder ein bewusst ausdrucksloses Gesicht aufsetzte.
    O ja, den hatte es schwer erwischt.
    »Okay, ihr kennt euch also schon eine Weile, aber du bist doch sicher nicht nur auf einen Anstandsbesuch vorbeigekommen. Was also führt dich zu uns, Elisabeth?«
    Ich nahm an, dass es etwas mit dem Geist zu tun hatte, den sie umbringen wollte, aber falls dem so war, würde sie kein Glück haben. Erstens arbeitete ich nicht mehr als Killerin, egal um welche Spezies es ging, und auch Bones hatte sich längst aus diesem Geschäft zurückgezogen. Zweitens konnte ich nicht einmal meinen Onkel ins Jenseits schicken, und der wäre freiwillig gegangen. Ein Gespenst umzulegen überstieg meine Fähigkeiten also bei Weitem, selbst wenn ich den plötzlichen Drang verspürt hätte, mich als Geisterjägerin zu betätigen, was nicht der Fall war.
    Elisabeth legte die Hände in den Schoß und verschränkte die Finger. »Im Jahr 1489 wurde ich im Alter von siebenundzwanzig Jahren als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt«, begann sie leise zu erzählen.
    Das war zwar schon über ein halbes Jahrtausend her, aber mich durchfuhr dennoch ein Zucken. Ich war selbst schon zweimal angesengt worden, und beide Male waren entsetzlich gewesen.
    »Das tut mir leid«, sagte ich.
    Elisabeth nickte, ohne von ihren Händen aufzusehen. »Ich war keine Hexe«, fügte sie hinzu, als würde das an der Grausamkeit der Hinrichtungsart etwas ändern. »Ich war Hebamme und legte mich mit dem örtlichen Richter an, als der eine junge Mutter bezichtigte, ihr Neugeborenes vorsätzlich mit seiner eigenen Nabelschnur erwürgt zu haben. Dieser Dummkopf hatte keine Ahnung von den Komplikationen, die eine Geburt mit sich bringen kann, und das habe ich ihm auch gesagt. Bald darauf schickte er nach Heinrich Kramer.«
    »Wer war das?«
    »Ein hundsgemeiner Mörder«, antwortete Bones, bevor Elisabeth zu Wort kam. »Er schrieb den Malleus Maleficarum , den Hexenhammer , ein Werk, das eine Jahrhunderte andauernde Hexenverfolgung auslöste. Laut Kramer konnte sich alles, was einen Rock trug, als Hexe entpuppen.«
    Elisabeth war also von einem mordlüsternen Fanatiker mit einem Hass auf Frauen umgebracht worden. Ich wusste, wie es war, von einem solchen Eiferer aufs Korn genommen zu werden, und das verstärkte noch das Mitgefühl, das ich ihr gegenüber empfand.
    »Das tut mir leid«, wiederholte ich, noch aufrichtiger diesmal. »Wie auch immer Kramer umgekommen ist, ich hoffe, es war ein langer und schmerzhafter Tod.«
    »War es nicht«, antwortete sie in bitterem Tonfall. »Er fiel vom Pferd und brach sich das Genick, statt zertrampelt am Boden liegen und leiden zu müssen.«
    »Ungerecht«, pflichtete ich ihr bei und dachte, dass Kramer zumindest in der Hölle die Flammen einmal am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte.
    Bones warf Elisabeth einen

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