Verlockung der Nacht
schwer sein würde, wenn man ihn uns nicht zufällig auf einem Silbertablett servierte –, konnten wir die Frauen an Halloween zwar beschützen, aber sie würden im nächsten Jahr ermordet, und das Muster würde sich wiederholen, Jahr für Jahr …
Diesmal seufzte ich wirklich und sah Bones mit müdem, abgekämpftem Blick an. »Vielleicht müssen wir ein Treffen mit Marie arrangieren.«
Bones’ Miene wurde hart wie Granit. »Nein.«
»Wer ist Marie?«, wollte Tyler wissen. Zuletzt hatte ich so laut gesprochen, dass er es hatte hören können.
Ich bedeutete ihm, sich zu gedulden, und senkte wieder die Stimme, um zu versuchen, Bones davon zu überzeugen, dass es einen Versuch wert war, sich mit der Frau zu treffen, die sowohl unsere Verbündete als auch unsere Feindin war.
»Auf der ganzen Welt gibt es wohl niemanden, der mehr über Geister und das Jenseits weiß als die Ghul-Königin von New Orleans. Was, wenn es einen Zauber gäbe, der Kramer geradewegs aus unserer Daseinsebene katapultieren könnte?«
»Dann würde Marie einen zu hohen Preis dafür verlangen, ganz zu schweigen davon, dass schwarze Magie laut Vampirgesetz verboten ist«, schoss er zurück.
»Seit wann kümmert dich das Gesetz?«, höhnte ich.
Der Blick seiner dunklen Augen war fest. »Seit ich mich in dich verliebt habe und Meister einer Sippe geworden bin. Weist man uns nach, dass wir schwarze Magie praktizieren – und ich traue Marie nicht zu, dass sie in diesem Punkt dichthält –, könnten die Gesetzeshüter uns zum Tode verurteilen. Dieses Risiko bin ich nicht gewillt einzugehen, Kätzchen.«
Ich glaubte zwar nicht, dass Marie uns verpetzen würde, konnte mich aber noch allzu gut daran erinnern, wie schnell die Gesetzeshüter mit der Todesstrafe bei der Hand waren. Über mich selbst war auch kurzzeitig eine verhängt worden, und nur meine Geistesgegenwart und eine kleine Lüge hatten verhindert, dass mir keine fünf Minuten nach Urteilsverkündung der Kopf abgeschlagen wurde.
Marie konnte mir höchstens noch einmal ein Glas ihres Blutes zu trinken geben, aber wenn ich zugab, dass ich die Restwesen nicht mehr herbeirufen konnte, hatte das in anderer Hinsicht wieder unannehmbare Konsequenzen.
Verdammt. Also alles wie gehabt: Wir waren auf der Jagd nach einem Typen, der nicht nur körperlos, sondern im Grunde auch noch unsterblich war. Ihr habt nicht die geringste Chance , flüsterte ein fieses, inneres Stimmchen mir zu.
Scheiß drauf; Pessimismus hat noch keinem geholfen , gab ich zurück.
»Also gut«, sagte ich mit gezwungenem Lächeln. »Wir konzentrieren uns darauf, die Frauen ausfindig zu machen, und warten dann ab, bis Kramer oder sein Komplize bei uns auftaucht.«
Und wenn ihr dann euren Arsch retten wollt , bohrte meine innere Stimme unbarmherzig weiter, werdet ihr einiges mehr auffahren müssen als ein bisschen brennenden Salbei.
Klar, das wusste ich selbst. Aber ich hatte beschlossen, das Beste zu hoffen, und daran würde ich mich halten.
22
Am vierzehnten Oktober, als wir alle zusammen im Wohnzimmer saßen und uns einen Film ansahen, um die Monotonie des fruchtlosen Wartens zu durchbrechen, kündigte der Vibrationsalarm meines neuen Handys den Eingang einer SMS an. Ich sprang praktisch von der Couch auf, um sie zu lesen, und betete, dass sich niemand verwählt hatte, stieß dann aber einen lauten Freudenschrei aus.
»Elisabeth hat uns eine Adresse geschickt! Los geht’s.«
Bones war bereits aufgestanden, Spade und Denise taten es ihm nach, nur Ian warf mir einen säuerlichen Blick zu.
»Du meinst nicht uns alle, oder? Der Film ist noch nicht zu Ende.«
»Den kennst du doch schon«, antwortete ich ungläubig.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich sehe so gern, wie Snape sich über Harry lustig macht.«
»Lassen wir ihn da«, meinte Bones. »Er kann auf Tyler aufpassen, solange wir weg sind. Dazu kannst du dich doch aufraffen, oder, mein Freund?«
Ian schürzte die Lippen, als er Bones’ vor Sarkasmus triefende Stimme hörte. »Glaub schon.«
»Ich soll nicht mitkommen?« Tyler klang enttäuscht, aber seine Gedanken sagten etwas anderes. Ian passt auf mich auf? Endlich mal was Positives!
Ich verdrehte die Augen. »Genau, Tyler, du bleibst bei Ian.«
Bestimmt nicht , dachte er, sagte aber: »Ich werd’s verkraften.« Wobei seine Stimme so matt klang, dass Bones ein Schnauben ausstieß.
Ich ging zum Kühlschrank und schnappte mir mehrere Päckchen Salbei, die ich an Spade, Denise und Bones austeilte. Es war
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