Verlockung
Treppen hinunter, bis ich vor dem Raum angekommen war. Den Zettel fand ich sofort. Schnell überflog ich die Zeiten und die Namen dahinter. Es war nichts mehr frei! Das konnte doch nicht sein! Immer wieder las ich die Zeilen durch. Nichts! Sogar nachts war alles ausgebucht. Halt! Das stimmte nicht ganz. In der Nacht vor Valentinstag war ab vier Uhr morgens die Küche frei. Ich hätte also ganze drei Stunden, um die Schokolade herzustellen. Aber es wäre mitten in der Nacht… Am nächsten Tag war Schule und wir schrieben ausgerechnet da die Klausur in Mathematischer Magie. Ich nahm den Stift in die Hand, der neben der Liste hing und trug mich für diese Zeit ein. Es würde schon irgendwie gehen…
Am nächsten Morgen überlegte ich verzweifelt, was sich als Geschenk am besten eignete. Schokolade? Pralinen? Und woher sollte ich ein Rezept bekommen? Im Grunde wusste ich ja, dass die meisten es sich recht einfach machten. Sie schmolzen Schokolade, füllten sie in eine Form, ließen sie abkühlen und fertig war das Geschenk. Es gab aber auch andere, die sich richtig originelle Sachen einfallen ließen. Sollte ich mich lieber an etwas einfachem halten?
„Hey“, knuffte Thunder mich in die Seite. „Du sollst die oberen dünnen Blätter abschneiden, hast du nicht gehört?“
Wir saßen in Pflanzenkunde. Jeder von uns hatte eine Dornblume vor sich. Ein Gewächs, das ziemlich vergammelt und vertrocknet wirkte. Aus ihren Blättern konnte man jedoch ein hervorragendes Schlafmittel herstellen, während sich die Pollen bestens für Heilsalben eigneten.
Wir lernten gerade, wie man diese Pflanzen pflegte. Leider war sie alles andere, als leicht zu handhaben. Die Blume vertrug kein starkes Sonnenlicht, ging aber in zu viel Schatten ebenfalls ein. Auch die richtige Wassermenge zu finden, war eine Wissenschaft für sich. Dazu kam die schwierige Ernte der Blätter. Diese war unabdingbar, andernfalls starb die Pflanze innerhalb weniger Tage.
Ich seufzte, als ich vorsichtig eines der dünnen, kleinen Blätter zwischen die Finger nahm. Im Moment hatte ich keinen Kopf für solch eine Arbeit.
Mit einer winzigen Schere setzte ich vorsichtig an einem der Blätter an. Ich drückte zu und die Pflanze sank auf der Stelle in sich zusammen. Es sah aus, als hätte die Blume nach Monaten der grausigsten Behandlung den Kampf letztendlich aufgegeben.
„Mist“, zischte ich.
Frau Martinez schritt durch die Reihen und sah den Schülern beim Arbeiten über die Schulter. Als sie bei mir ankam, betrachtete sie die Schnittstelle genauer. „Sie haben zu dicht am Stiel angesetzt. So ein Fehler verzeiht diese Pflanze leider nicht. Na ja, beim nächsten Mal können sie es erneut versuchen.“
„Toll“, schimpfte ich leise vor mich hin.
Ich wusste, dass jeder Schüler so lange an der Blume herumhantieren musste, bis er all die geforderten Punkte beherrschte: Einpflanzen, Bewässern, Umtopfen, Zeitpunkt der Blatternte erkennen und durchführen, sowie Pollen abtragen. Wenigstens war ich nicht die einzige, bei der es schief gegangen war. Fast alle hatten nur noch einen verkümmerten Pflanzenrest vor sich. Von meinen Freundinnen war immerhin Thunder erfolgreich gewesen.
„Ich weiß nicht, wie du das hinbekommen hast“, sagte ich an Thunder gewandt.
„Ich bin eben geschickt.“
Ich zog die Braue hoch. „Seit wann denn das?“
„Wenn ich denke, dass man das gebrauchen kann, streng ich mich auch gerne etwas mehr an“, antwortete sie mit einem schiefen Grinsen. „Was glaubst du, was man mit diesem Schlafmittel alles anstellen kann?! Für das findet man immer Verwendung.“
Ich stellte mir lieber erst gar nicht vor, wen sie damit am liebsten alles vergiften würde. Dennoch musste ich über ihren Eifer lächeln. Ich wusste, dass ihr großer Traum es war, später einmal bei den Radrym zu arbeiten. Da diese allerdings nur wirklich die Elite aufnahmen, waren die Chancen eher gering.
Ich selbst hatte mir noch keine Gedanken über meine Zukunft gemacht. Wie denn auch? Bis vor ein paar Monaten hatte ich von dieser Welt ja noch nicht einmal gewusst. Ich wollte lieber einen Schritt nach dem anderen tun. Das allein barg schon genügend Herausforderungen.
Am Nachmittag beschloss ich in die Bibliothek zu gehen. Céleste hatte mir erzählt, dass es dort ein paar Koch,- und Backbücher gab. Allerdings war es fraglich, ob nicht schon alle ausgeliehen waren.
Suchend streifte ich die Regalreihen entlang. In einer der hintersten Ecke fand ich
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