Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
Pitanguy.
Man wird als Arzt nicht bekannt, wenn man sich nur in Schicki-Micki-Kreisen bewegt. Ich wurde zwar nahezu wöchentlich in den People-Magazinen erwähnt, war oft im Fernsehen. Ich war Stammgast bei Galas und Events und tummelte mich in dieser vermeintlichen Glamour-Welt. Mit der Zeit begriff ich, dass ich immer wieder dieselben Leute traf. Als mich Patienten gefragt haben, ob ich überhaupt noch Zeit hätte zu operieren, weil ich ständig in Hochglanzmagazinen und im TV zu sehen sei, habe ich mich etwas zurückgezogen. Andererseits brauchte ich diesen Society-Effekt, denn von Montag bis Freitag habe ich bis zu fünfzehn Stunden täglich hart gearbeitet – und am Samstag war für mich diese Art von Entspannung angesagt. Nun aber entspanne ich mich, wenn ich wahre Freunde treffe, wenn ich wieder mehr Sport treibe: Tennis, Skifahren und Golf.
Im Alter von fünfzig Jahren gab ich noch mal so richtig Gas – und mit sechzig geht es erst richtig los
Im Kreiskrankenhaus Lindau wurde meine Abteilung bald räumlich immer enger. Ich hatte sehr viele Patienten, musste sehr viel operieren. Zwischen 1990 und 2000 sah mein durchschnittlicher Arbeitstag so
aus: Um 6.30 Uhr aufstehen, eine halbe Stunde Sport, um 7.00 Uhr Visite, von 8.00 bis 17.00 Uhr operieren (ohne Mittagspause), von 17.00 bis 19.00 Uhr Sprechstunde und von 19.00 bis 21.00 Uhr wissenschaftliche Arbeit und Post erledigen. Man kann sagen, dass mein Erfolg nicht einfach so kam, sondern hart erarbeitet war. In diesen zehn Jahren habe ich mir das kleine Imperium in Lindau geschaffen: die Klinik und einen umfangreichen Immobilienbesitz mit wunderbaren Häusern auf der Lindauer Insel. Dann erfolgte der Startschuss für den Bau der Bodenseeklinik im Jahr 2000. Mittlerweile war ich der größte Werbeträger für die Stadt Lindau, mit der Bodenseeklinik und meinen vielen TV- und Printmedien-Beiträgen. So stellte mir die Stadt am schönsten Fleck auf der Lindauer Insel, direkt am See, ein traumhaft schönes Grundstück zur Verfügung, für das ich heute noch dem damaligen Oberbürgermeister Jürgen Müller und der jetzigen Oberbürgermeisterin Petra Meier to Bernd-Seidl dankbar bin. Sie haben dieses Anliegen tatkräftig unterstützt.
Die Bodenseeklinik hatte eine zweijährige Bauphase und wurde von mir ohne jegliche Bankfinanzierung errichtet. Ich habe zwei Jahre nur für diese Klinik operiert, nach dem Motto: Eine neue Nase bringt ein neues Krankenzimmer. Es war wie ein Sport für mich, diese Klinik parallel zu finanzieren und zu bauen. Und ich habe es wirklich geschafft, synchron zu meinen Operationen die gesamte Klinik zu bauen. Im Jahr 2003 wurde die Bodenseeklinik als die größte Klinik für Ästhetische Chirurgie in Europa, mit 50 Betten, fünf OP-Sälen, Forschungslabor, Hörsaal, Luxusappartements eröffnet. Mein Lebenstraum ging in Erfüllung. Zum internationalen Kongress zur Klinkeröffnung im Jahr 2003 kam die gesamte Prominenz der Schönheitschirurgen. Die Kollegen bestätigten mir, dass es Vergleichbares nicht geben würde, nicht einmal in den USA. Mit 54 Jahren stand ich im Zenit meiner Arbeit. Ich wurde weltweit eingeladen, als der erfolgreichste Schönheitschirurg Europas auf Kongressen Vorträge zu halten. Mittlerweile gelte ich in der Branche als »King of Nose«.
Der Wissenschaftsverlag Springer in Heidelberg beauftragte mich, ein Handbuch der Schönheitschirurgie (»Manual of Aesthetic Surgery«) zu schreiben, was auch inzwischen das erfolgreichste
Lehrbuch auf diesem Gebiet ist. Es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, so ins Englische, Spanische, Chinesische und Russische. Ich habe als erster Mediziner Schönheitsoperationen standardisiert, Tausende von Ärzten können die »Mang-Schule« nachlesen. Von allen Operationen wurden Filme gedreht, sodass ein Arzt in Nigeria oder ein Arzt in China sehen kann, wie in der Bodenseeklinik eine Lidkorrektur oder eine Fettabsaugung durchgeführt wird.
Mein selbstständiger Weg hatte mit vierzig begonnen. Zwischen vierzig und fünfzig habe ich die Aufbauarbeit geleistet und die Zahl der Betten in meiner ersten Klinik von vier auf zwanzig erhöht. Als ich fünfzig wurde, habe ich den Verleger Hubert Burda gefragt, ob ich noch expandieren und die große Bodenseeklinik bauen solle. Er antwortete mir, dass er mit fünfzig das später so erfolgreiche Magazin »Focus« gegründet habe. Das bestärkte mich, die neue Klinik anzugehen – und noch mal so richtig Gas zu geben. Ich ging noch einen Schritt
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