Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
die Statistik, dass in den USA jede 5000. Fettabsaugung tödlich ausgeht.
Das deutsche Topmodel Nadja Auermann berichtete einmal, wie sie auf einer New Yorker Damentoilette von einer Frau gefragt wurde, wo sie ihre Nase herhabe. Als die Deutsche antwortete, »von meinen Eltern«, war die neugierige Dame beleidigt: Sie hatte sich eine neue Chirurgenadresse erhofft und glaubte schließlich, Nadjas Eltern hätten ihr die OP bezahlt. Dass die Nase ein genetisches Auermann-Erbstück ist, kam ihr erst gar nicht in den Sinn. Dazu passt das Machwerk »My Beautiful Mommy« von Michael Salzhauer (siehe Kapitel »Verlogene Schönheit«, Seite 45 ff.). Der Schönheitschirurg versteht es als Aufklärungswerk für Kinder. Ein Auszug: »Wieso willst du anders aussehen?«, fragt das Töchterchen die Mutter. Mit Recht, denn schließlich sieht die Mama wirklich klasse aus. »Nicht anders«, antwortet sie, »sondern hübscher.« Dann präsentiert sie eine neue Nase und etwas weniger Bauchspeck – und das kleine Mädchen ist begeistert. Dazu möchte ich nur anmerken, dass es sich bei dem Buch des Kollegen Salzhauer keineswegs um ein satirisches Werk handelt.
Brustvergrößerung zum Beispiel ist in den USA fast so normal wie ein Besuch beim Friseur. Viele kommen mit Geschenkgutscheinen zum Doc; solche Gutscheine werden immer beliebter. Viele Männer schenken ihren Frauen, die sich (noch) nicht trauen, zu Weihnachten Schönheitsoperationen. Nach den Feiertagen ist in den Kliniken der Teufel los. Im »Weltspiegel« der ARD berichtet die Journalistin Christine Adelhardt von einer New Yorkerin, die so gern high heels trägt, was aber andererseits auch tierisch wehtun kann. Ihre Ärztin fühlte mit: »Ein Leben ohne Stöckelschuhe ist wie ein Leben ohne Schokolade.« Die Medizinerin wusste Abhilfe: Sie spritzte ihrer Patientin ein künstliches Polster unter die Fußballen.
Das wirkt wie ein Kissen, und die Patientin kann ihre geliebten high heels nun wesentlich länger schmerzfrei tragen. Orthopäden sind freilich von dieser Behandlungsmethode entsetzt. Und da die Patientin schon mal da ist, werden ihr auch gleich die Falten weggespritzt. Mit Juvederm, das die Hauptfalten auffüllt. Tut ziemlich weh, ist aber wirkungsvoll, und schon beginnt das Gesicht der Patientin anzuschwellen. Am Schluss noch etwas Botox – und der Behandlungstag, einer von mehreren im Jahr, ist beendet.
Schließlich wäre da noch die Geschichte von Cindy Jackson, geboren 1955 im US-Staat Ohio. Sie ist eine Art weiblicher Dorian Gray, die perfekte Schönheit, Detail für Detail. Bis Mai 2009 hat sie sich 47 Mal operieren lassen – Weltrekord. Es gibt wohl keine Körperstelle, die Cindy nicht hat richten lassen. Nase, Mund, Stirn, Wangen, Kinn, Zähne, Hals, Haare, Oberarme, Bauch, Brüste, Hüften, Po, Oberschenkel, Knie. »Ein zwölfjähriger Weg der Selbstgeburt«, wie die »Zeit« bereits 2002 schrieb. Cindy Jackson ist nicht das Opfer von skalpellsüchtigen Schönheitschirurgen; sie hat sich selbst ganz bewusst stylen lassen, was auch durchweg gut, manchmal sogar perfekt gelungen ist. Cindy Jackson, mit einem Intelligenzquotienten von 164 Mitglied im elitären Mensa Club, hat sich zur eigenen Marke getuned. Auf ihrer Website, mit der sie recht geschmackvoll für Schönheitskliniken, Kosmetika und ihre beiden Bestseller »Living Doll« und »Image & Cosmetic Surgery Secrets« wirbt, präsentiert sie sich als Gesamtkunstwerk – wie eine Bildhauerin ihre Skulpturen. Cindy ist Barbie, ist Brigitte Bardot, ist XY, aber nie Cindy Jackson. Man kann nicht sagen, ob sie nun Ende zwanzig, dreißig oder Anfang vierzig ist. Sie schön und völlig alterslos. Ich frage mich, ob sie wirklich lebt …
Es gibt allerdings nicht nur diese cleanen Bilder. Sie täuschen oft genug über die vielen Menschen hinweg, die als Opfer dem Schönheitswahn made in USA erlegen sind. Die verunstalteten Gesichter von Michael Jackson, Jocelyn Wildenstein, Amanda Lepore, Priscilla Presley und vieler anderer sind für mich lebende Mahnmale der hemmungslosen Schönheitschirurgie Amerikas. Da werden Mittelfußknochen rausgeschnitten, damit die engsten high heels passen. Da werden Rippen entfernt, damit die Taille noch dünner und wespenhafter
wird. Wohlgemerkt die siebte Rippe, die Gott Adam entnahm, um daraus die Frau zu erschaffen. Für mich ist das alles nicht mehr nachvollziehbar, denn mit dem von mir angestrebten natürlichen Aussehen, der natürlich wirkenden Verschönerung, hat das nichts zu
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