Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
tun. Ich habe schon jetzt jede Menge Patientinnen, die zu mir kommen, um die Eingriffe, die in den USA gemacht wurden, wieder zu reparieren. Vielleicht sollte ich wirklich in Hollywood und New York eine eigene Klinik aufmachen.
Brasilien
Ich möchte nicht behaupten, dass in Brasilien die Schönheitschirurgie erfunden wurde, doch in wohl keinem anderen Land hat sie eine solche Tradition, die auf eine 150-jährige Geschichte zurückblickt. Das Körpergefühl der Brasilianer wird in der ganzen Welt gerühmt, und für dieses Körpergefühl bedarf es eines gut gestylten und gestalteten Bodys. Bei Frauen und Männern. Sie sind von physischer Schönheit geradezu besessen. Brasilianerinnen verzichten eher auf neue Kleider oder ein neues Auto als auf eine Schönheitsoperation. Obwohl die brasilianische Wirtschaft derzeit stagniert, wächst der Markt für Schönheitschirurgie jedes Jahr um die 20 Prozent.
Brasilianische Kollegen erklären die Faszination der Schönheitschirurgie mit dem Rassenmischmasch des Landes. Er ist verantwortlich für außergewöhnlich schöne Menschen, aber auch für körperliche Disharmonien, wenn zum Beispiel der Po nicht zu den Beinen passt oder die Nase nicht zur Mundform. Es geht also um das Gleichgewicht, um die Harmonie – und um die Angst vor ererbten körperlichen Unzulänglichkeiten wie zum Beispiel dem Hängebusen. Das führte bereits in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer breit gefächerten, sehr speziellen Schönheitschirurgie in Brasilien. Massenhaft ließen sich die Frauen die Brüste verkleinern und straffen. Bis vor wenigen Jahren war es in der brasilianischen Mittelschicht üblich, den jungen Mädchen zum 16. Geburtstag eine Brustverkleinerung zu schenken. Quasi als Gegengewicht legt man großen Wert auf einen wohlgestalteten, auffällig runden Po mit afrikanisch-erotischer Wölbung. Für ihn wurde an der Copacabana
der Tanga erfunden; er gilt – noch vor dem Busen – als sexueller Blickfang Nummer eins.
Schrittmacher, Künstler und Philosoph der brasilianischen Schönheitschirurgie ist mein Freund und Kollege Professor Ivo Pitanguy (siehe Kapitel »Freund, Nestor, Vorbild«, S. 185 ff.). Er hat die Ästhetische Chirurgie nicht nur seines Landes beeinflusst wie kein anderer, sondern vor allem die Klassenlosigkeit seiner medizinischen Kunst schon vor über vierzig Jahren auch den Armen zur Verfügung gestellt. »Ich denke, langsam glauben immer mehr Chirurgen an das, was ich schon immer gewusst habe: Die Plastische Chirurgie kann für das Selbstwertgefühl aller Menschen von Bedeutung sein und sollte deshalb jedem zur Verfügung stehen.« Für Pitanguy ist es »praktizierte Demokratie«, wenn sich jetzt auch arme schwarze Mädchen die Brust operieren lassen.
Übrigens kippt der Trend zur Brustverkleinerung: Auch in Brasilien wollen immer mehr Frauen und Mädchen einen größeren Busen. Und immer mehr Touristinnen aus Nordamerika kommen ins Land, um sich verschönern zu lassen. Doch auch da ist Vorsicht geboten; man sollte bei der Wahl der Klinik und des Arztes umfangreiche Recherchen anstellen, denn nicht jeder brasilianische Chi rurg ist ein Pitanguy. Diese Erfahrung musste auch Taneka Foster, Ehefrau des amerikanischen Popstars Usher, machen. Die 38-Jährige flog im Februar 2009 nur wenige Monate nach der Geburt ihres zweiten Kindes nach São Paulo in eine Klinik, um sich das Schwangerschaftsfett absaugen zu lassen. Während der Narkotisierung erlitt sie einen Herzstillstand. Sie schwebte mehrere Tage in Lebensgefahr.
In den Wochen vor dem Karneval, der größten Party der Welt, bricht vor allem in Rio ein regelrechtes Schönheitschirurgie-Fieber aus. Da wollen alle Frauen bella figura machen, aber sicher nicht so extrem wie Angela Bismarchi, Jahrgang 1973. Es gibt ein vielsagendes Zitat von ihr: »Diese Woche habe ich an Karneval gedacht und mir schnell noch etwas Botox ins Gesicht spritzen lassen. Und kürzlich habe ich noch mal 355 Milliliter Silikon in meinem Busen nachgelegt. Schließlich will man im Karneval ja gut aussehen.« Ihre »extreme Schönheit«, so sagte sie, habe sie vor allem ihrem Mann zu verdanken, dem Schönheitschirurgen Ox Bismarchi, der die Grundsteine
für Angelas Attraktivität gelegt hat. Sie war seine lebende Litfaßsäule, die bis 2002 weit über zehn Eingriff hinter sich hatte. Doch dann war erst mal Schluss: Am 2. Dezember 2002 wurde Ox Bismarchi erschossen. Angela fand rasch Ersatz. Bis zum Karneval 2009 hatte sie 42
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