Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
angekommen, und nach einem kurzen Gespräch wurde sie bereits mittags in den OP-Saal geschoben. »Der Chirurg hat die Nase viermal gebrochen und so sehr verkürzt, dass ich mich im Spiegel fast nicht erkenne. Er hat etwas ganz anderes gemacht, als wir vorher besprochen haben.« Doch das merkte die junge Frau erst zu Hause, als sie die Verbände abnahm. Die Verstümmelung belastete sie psychisch so sehr, dass sie ihr Studium unterbrechen musste. Ein Onkel bezahlte schließlich die korrigierende Operation in den USA. Die kostete 30 000 Dollar, der zerstörerische Eingriff in Polen hingegen nur 1500 Euro.
Oder der Fall einer 25-Jährigen aus dem Rheinland. Sie hatte in zwei Jahren 40 Kilo abgenommen und endlich ihre Traumfigur – bis auf den Busen, der nur noch schlaff herunterhing. Eine Freundin, die ihre Brust hatte vergrößern lassen, empfahl ihr einen Arzt in Polen, glich hinter der Grenze. Kosten: 2800 Euro. Die Rheinländerin fuhr mit ihrem Freund nach Polen, das Honorar hatte sie in bar mit dabei. Der Chirurg sprach kein Deutsch, eine Krankenschwester dolmetschte. Man zeigte ihr verschiedene Implantate, danach hatte sie eine Stunde Zeit, um sich für oder gegen den Eingriff zu entscheiden. In Deutschland schreibt der Gesetzgeber vor, dass zwischen dem Beratungsgespräch und der Operation genügend Bedenkzeit liegen muss. Doch die junge Deutsche wurde noch am selben Tag operiert. Als nach zwei Tagen die Verbände entfernt wurden, erlitt die Patientin einen Weinkrampf: Der Busen sah viel schlimmer aus als vorher. Die Implantate waren zu weit oben eingesetzt worden, die Brust hing über die Silikonkissen, und die Haut war auch nicht gestrafft. Als die Deutsche sich beschwerte, machte ihr die Klinik ein Angebot: zehn Prozent Erlass auf die nächste OP. Darauf verzichtete die Frau. Sie fuhr zurück nach Deutschland, und
es dauerte etwa ein Jahr, bis sie erneut an ihrem entstellten Busen operiert wurde. Die Implantate wurden ausgetauscht, die Haut wurde gestrafft. Kosten: weitere 5000 Euro. Immerhin ist die Patientin nun mit dem Ergebnis völlig zufrieden. Das Geld, das sie in Polen gezahlt hat, kann sie abschreiben. Vor dem Eingriff musste sie eine Erklärung unterschreiben, in der sie auf rechtliche Schritte im Falle eines Scheiterns der OP verzichtete.
USA
Die Vereinigten Staaten von Amerika sehen sich als Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zweifellos trifft das in Bezug auf die Schönheitschirurgie zu. Nirgendwo sonst wird so schnell und so häufig zum Skalpell gegriffen. Allein von 1997 bis 2006 hat sich die Zahl der Eingriffe um über 400 Prozent auf 11,5 Millionen erhöht. Dabei wurden umgerechnet rund neun Milliarden Euro umgesetzt. Und 2007 stieg diese Zahl noch einmal um satte acht Prozent. Platz eins auf der Rangliste der am häufigsten durchgeführten Eingriffe nehmen die Botox-Injektionen ein, die sich von 1997 bis 2006 um 4783 Prozent (!) vervielfacht haben. Dieses Nervengift blockiert nach zwei oder drei Anwendungen die Signalübertragung von der Nerven- zur Muskelzelle. Die Haut kann sich nicht mehr in Falten legen, das Gesicht sieht glatter und somit jünger aus. Wirklich jünger? Durch den hemmungslosen, von dollarsüchtigen Ärzten propagierten Botoxgebrauch wird die Gesichtsmimik starr und maskenhaft. Ich finde das gespenstisch. Es gibt zahllose Beispiele für Botox-Missbrauch bei Prominenten (siehe auch Kapitel »Verlogene Schönheit«, Seite 45 ff.), die wirklich schlimm aussehen und die der Eingriff nicht schöner, sondern hässlicher gemacht hat.
Deshalb sage ich auch: Die USA sind die Ausgeburt der Schönheitschirurgie. Nichts ist unmöglich, Synthetik ist Trumpf, Natürlichkeit wurde zum einem völlig vernachlässigten Wert. Es gibt kaum Stars, mal abgesehen von Demi Moore, die nach ihren Schönheits-OPs jünger wirken. Sie sehen nur anders aus. Künstlicher. Die Nase à la Nicole Kidman ist ein Hit, der Mund von Angelina Jolie ebenso, der Busen von Pamela Anderson sowieso. So lassen sich Millionen amerikanischer Frauen in Schönheitskliniken reproduzieren.
Amerika ist besessen vom uniformen Schönheitsbild; die jeweiligen Trends schnitzt man sich selbst. Plastische Chirurgen, die sich nicht als »Tittenmacher«, sondern als »Künstler« empfinden, haben wie Designer ihre Entwürfe im Katalog; doch irgendwie gleichen sie sich alle. Nach wie vor begehrtestes Ideal ist die Barbie-Puppe. Da wird so lange an der Patientin herumgeschnippelt, bis sie ihr irgendwie gleicht. Gleichwohl sagt
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